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"Tatort"-Kolumne: Wo Hiebe Wunden heilen: Sehenswerter "Tatort" aus Dortmund

"Tatort"-Kolumne

Wo Hiebe Wunden heilen: Sehenswerter "Tatort" aus Dortmund

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    Sarah Ritschel ist eine von vier "Tatort"-Kritikerinnen und -Kritikern unserer Redaktion.
    Sarah Ritschel ist eine von vier "Tatort"-Kritikerinnen und -Kritikern unserer Redaktion. Foto: Montage: AZ

    Wenn Faber (Jörg Hartmann) fürsorglich sein will, dann bringt er den Baseballschläger mit. Und drückt ihn seiner Kollegin Rosa Herzog in die Hand, damit die all ihre Wut an einer alten Karre auf einem Dortmunder Schrottplatz auslassen kann: "Büddeschön." 

    Hat sich auch einiges aufgestaut bei Herzog (Stefanie Reinsperger), die nach Fabers Auszeit kommissarisch die Mordkommission leitet. "Ihre Mutter verzeiht Ihnen Ihren Verrat nicht, Pawlak hat Sie belogen und ausgenutzt", zählt Faber auf, "ich geh Ihnen auf den Sack, unsere Chefs lassen Sie am langen Arm verhungern, Arschloch Haller ist wieder da, s'Wetter ist auch scheiße. Suchen Sie sich einen Grund aus. Oder nehmen sie alle zusammen, was ich persönlich empfehlen würde." 

    Angespannte Stimmung (von links): Faber (Jörg Hartmann), Herzog (Stefanie Reinsperger) und Pawlak (Rick Okon).
    Angespannte Stimmung (von links): Faber (Jörg Hartmann), Herzog (Stefanie Reinsperger) und Pawlak (Rick Okon). Foto: Thomas Kost, WDR/Bavaria Fiction GmbH

    "Tatort" aus Dortmund: Stefanie Reinsperger und Rick Okon in Hochform

    Herzog, erst noch zögerlich, holt mit dem Schläger aus. Als Erstes trifft es den Scheinwerfer. Ein Schlag, noch einer, Herzog steigert sich in einen Rausch, keucht, ächzt, schreit. Faber lächelt anerkennend, hebt den Daumen nach oben. Und die Kamera hält minutenlang drauf. Man muss diese Szene so lang beschreiben – nicht nur, weil sie zeigt, was die Österreicherin Reinsperger für eine überwältigende Schauspielerin ist. Das Auto muss zerstört werden, damit etwas anderes zusammenwachsen kann. Faber und Herzog, diese zwei sind jetzt ein Team. Wut verbindet, Schrotten reinigt. Es ist der Baseballschläger, mit dem Faber selbst schon Diverses kurz und klein geschlagen hat. Und es sind Szenen wie diese, die den Dortmunder "Tatort" aus allen anderen hervorheben. 

    Ist auch wichtig, dass Rosa und ihr Ex-Chef sich verbrüdern, denn den Kollegen Pawlak (Rick Okon) drohen sie in der Folge "Cash" (ARD, 20.15 Uhr, Regie: Sebastian Ko, Buch: Jürgen Werner) endgültig zu verlieren. Statt den Mord an einem Sportwetten-Zocker zu lösen, hängt Pawlak selbst in einer türkischen Wettbar herum, verzockt einen "Zwanni" nach dem anderen, gammelt betrunken unter dem Fenster seiner Tochter vor sich hin. Alles, um Mia nahe zu sein. Er macht sich angreifbar und ist leicht zu manipulieren, wie gleich mehrere merken, die Pawlak für ihre Zwecke missbrauchen wollen. Das führt dazu, dass Rosa Herzog bei Befragungen bald weniger die Verdächtigen beobachtet als ihren blassen, fahrigen Freund und Kollegen. 

    Statt den Fall zu lösen, verbringt Pawlak (Rick Okon) seine Zeit im Wettbüro "Mutluluk" (türkisch für "Glück").
    Statt den Fall zu lösen, verbringt Pawlak (Rick Okon) seine Zeit im Wettbüro "Mutluluk" (türkisch für "Glück"). Foto: Thomas Kost, WDR/Bavaria Fiction GmbH

    "Cash" ist Okons letzter großer Alleingang

    Dass Pawlak am Ende die Familie über alles stellen wird, daran gab es nie Zweifel, seit Rick Okon vor sechs Jahren ins Dortmunder Team kam. Die untergetauchte Junkie-Frau, von der er nicht loskommt, die Tochter, die die Welt für ihn ist. "Cash" ist sein letzter großer Alleingang, und wieder spielt Okon dessen innere Zerrissenheit so überzeugend, dass auch das Zuschauerherz danach erst wieder heilen muss. Spätestens wenn Rosa und Jan sich in einem Kiosk in die Arme fallen und jeder weiß: Auf das gemeinsame Feierabendbier, das sie gerade noch mit Faber tranken, wird kein weiteres mehr folgen. Rick Okon steigt aus.

    "Es war mir ein Fest", sagt er in der Pressemappe zu seiner letzten Folge. Uns auch. 

    Was tröstet: Wie einst bei Bönisch wird Faber auch in Zukunft morgens mit zwei Kaffees in der Hand vor einem Dortmunder Altbau warten. Und wenn dann Rosa Herzog aus der Tür tritt und sie zu einem neuen Verbrechensschauplatz aufbrechen, ist der Abschiedsschmerz bestimmt bald verflogen.

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