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Foto: Augsburger Allgemeine (Illustration)
Foto: Augsburger Allgemeine (Illustration)

Andreas Frei ist einer von vier "Tatort"-Kritikerinnen und -Kritikern unserer Redaktion.

Tatort-Kolumne
14.01.2023

Wat für Abgründe im neuen "Tatort" aus Dortmund

Von Andreas Frei

"Tatort"-Ermittler Faber leidet unter dem Verlust seiner Partnerin und der eigenen Familienhistorie. Garniert mit arg viel Ruhrpott-Romantik – trotzdem sehenswert.

"Hömma", würden die treuen Seelen in der Trinkhalle „Fusel“ im neuen Dortmunder „Tatort“ jetzt vielleicht sagen – hömma (hochdeutsch: hör mal), dat lohnt sich am Sonntag. Kannse gut kucken im Fernsehen.

Klar, Abgründe gibt es diesmal so viele wie unterirdische Stollen im Ruhrpott: Ermittler-Griesgram Faber (Jörg Hartmann) hat Partnerin und Last-Minute-Liebelei Bönisch durch einen tödlichen Schuss verloren und ist komplett abgestürzt. Die Mutter von Kollegin Herzog (Stefanie Reinsperger) steht unter Terrorverdacht, die Frau von Kollege Pawlak (Rick Okon) sitzt im Knast. Ergo: Gemeinsames Frustsaufen am Tresen mit beträchtlichem Kater. Dann kommt noch eine Frau hinzu, die notorisch klamm ist, einen schwerkranken Jungen zu versorgen hat und schließlich unter Mordverdacht gerät. Wie so oft im gespielten Kriminalfall wäre etwas weniger manchmal etwas mehr.

Faber junior und senior beeindrucken im Dortmunder "Tatort"

Aber Familie Faber allein macht „Du bleibst hier“ (ARD, 20.15 Uhr) sehenswert. Familie Faber? Ganz genau. Der krankgeschriebene Faber junior mit Zauselbart und Brüllattacken sieht nach Jahrzehnten Vater Jupp wieder, den er für den frühen Unfalltod seiner Mutter verantwortlich macht und der nun in einen aktuellen Fall hineingezogen wird. Großartig: der wenig bekannte Wolfgang Rüter in der Rolle des durchs Leben taumelnden Faber senior. Tipp: für ein paar Sekunden die Augen schließen und nur seiner sonoren Stimme zuhören – ein Erlebnis.

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Foto: Thomas Kost, Bavaria Fiction Gmbh/WDR/ARD/dpa
Foto: Thomas Kost, Bavaria Fiction Gmbh/WDR/ARD/dpa

Ermittler Peter Faber (Jörg Hartmann, links) bei seinem Vater Jupp (Wolfgang Rüter).

Der Titel der Episode, deren Drehbuch Jörg Hartmann mitverfasst hat, ist übrigens wohl gewählt: „Du bleibst hier“ waren die letzten Worte von Bönisch, als sie in den Armen von Faber junior starb. So zieht sich der Trennungsschmerz durch die ganzen 90 Minuten. Nervt aber nicht wirklich, weil die leise Annäherung der beiden Männer ihn Stück für Stück überlagert.

Ach so, den Fall gibt es ja auch noch. Erst verschwindet ein Immobilienhai, der Mietwohnungen aufkauft, um sie – Klassiker – zu Luxusobjekten zu machen. Alles, was von ihm bleibt, ist eine Menge Blut. Dann wird ein junger Drogendealer vermisst. Die Schnittstelle liegt im Kreis der betroffenen Anwohner.

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Ja, ja – die Anwohner. Bisschen arg viel Ruhrpott-Romantik an dieser Stelle; viel hömma, viel dat und wat. Und irgendwie doch stimmig. Optischer Höhepunkt: der aus der Zeit gefallene Friseursalon Engel. Einmal betritt Faber den Laden, als zwei ältere Damen unter der Haube sitzen. Sagt die eine: „Kuck ma, wer hier is.“ Die andere: „Wer soll dat denn sein?“ Wieder die eine: „Dem Jupp sein.“ Zu Deutsch: Jupps Sohn.

Am Ende ist der tragische Mörder überführt und aus dem Faber-Bönisch-Drama ein Papa-Sohn-Ding geworden. Und der Mensch darf sogar Mensch sein.

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