Es sollte das deutsche Woodstock werden, doch das „Love-and-Peace-Festival“ auf der Insel Fehmarn geriet zum Debakel: Die Organisation war mies, das Wetter und die Stimmung auch. Als die Veranstalter mit den Einnahmen durchbrannten, fackelten die um ihr Geld geprellten Helfer deren Büro ab. Von wegen Liebe und Frieden. Berühmt wurde es einzig, weil dort Jimi Hendrix den letzten Auftritt seines kurzen Lebens spielte. Zwölf Tage später war er tot.
In der neuen „Tatort“-Folge „Borowski und der Schatten des Mondes“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) verknüpft sich das Chaos-Festival auf unselige Weise mit dem Schicksal eines jugendlichen Mädchens, Susanne Hansen (Mina Rueffer). Sie will mit ihrem Freund nach Fehmarn trampen, doch der kneift im Regen, sie streiten sich. Susanne steigt in einen VW-Bus ein und verschwindet spurlos. Gut 50 Jahre später taucht ihr Totenschädel im Wurzelgeflecht einer vom Sturm gefällten Eiche wieder auf. Nun hat ihr damaliger Freund ein Problem, denn es ist Kommissar Klaus Borowski (Axel Milberg).
Borowski macht, was er immer macht: Er bricht zu einem Alleingang auf
Er hat sie einst ziehen lassen und wird nun von diesem Gespenst der Vergangenheit heimgesucht. Was macht er? Das, was er immer macht: Er bricht zu einem Alleingang auf, bei dem er seine Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) ein ums andere Mal links liegen lässt. Doch dass er der junge Freund des Opfers war, und wohl noch eine Rechnung mit dem Mörder offen hat, bekommt sie schnell spitz. Den halbwüchsigen Borowski spielt übrigens Milbergs Sohn August schön eindringlich. Man ahnt, dass er mal zum sperrigen Polizisten heranreifen könnte. Bald ist klar, dass sich da womöglich ein Serienmörder im Forst herumtreibt.
Überhaupt der Wald: Regisseur Nicolai Rohde inszeniert des Deutschen liebste Landschaftsform als eine Art geheimnisvollen Seelenort: So unerfindlich wie die inneren Abgründe des Serienmörders ist der Wald. Aus Sicht der üppig eingesetzten Drohnenkamera bildet er von oben ein scheinbar undurchdringliches Geflecht. Wer dort hineinstößt, findet das Grauen.
Axel Milberg spielt mit wenigen kleinen Gesten, das meiste spielt sich in seinem Gesicht ab
Das tobt besonders eindrücklich im Inneren von Borowski, der sich mitschuldig fühlt am Tod seiner Jugendfreundin. Axel Milberg spielt das mit wenigen kleinen Gesten, das meiste spielt sich in seinem Gesicht ab. Die Mimik spiegelt beeindruckend wider, wie es in seinem Hirn rattert und knirscht. Das beherrscht im „Tatort“-Kosmos niemand so gut wie er. Das große Milberg/Borowski-Drama entschädigt dafür, dass die Geschichte vom sexuell verklemmten Serienmörder mit Bürgermaske, der den Waldboden mit Leichen düngt, immer wieder gerne erzählt wird. Am Ende werden viele froh sein, selber beim Trampen nie ins falsche Auto gestiegen zu sein.