Einer springt aus dem Fenster, einer rammt sich eine Sektflasche in den Leib, eine heult den Mond an und bricht mit Schaum vor dem Mund zusammen. Und noch drei weitere Patienten des Psychoanalytikers Dr. Adrian Goser sind nach einer Drogenorgie in dessen Haus tot. Die Einstiegsszene im „Tatort“-Fall „Leben Tod Ekstase“ (Sonntag, ARD, 20.15 Uhr) kommt daher wie aus einem trashigen Thriller. Was tatsächlich folgt, ist eine große Zumutung.
Das Übersinnliche, Transzendente, das mittlerweile Markenzeichen der Fälle von Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) geworden ist, macht diesmal jede klare, realistische Handlung zunichte. Selbst mancher Mord – und davon gibt es beiläufig viele im Verlauf der 90 Minuten – ist dem Drehbuch (Nikias Chryssos, Michael Comtesse) nicht mehr wert als einen dürren Nebensatz. Hauptsache, es flimmert, knallt und dreht sich alles.
"Tatort" am Sonntag: Gruppensuizid? Janneke ist skeptisch
Trotzdem hier der Versuch, die Handlung zusammenzufassen: Psychoanalytiker Goser (Ex-„Tatort“-Kommissar Martin Wuttke – immerhin einer überzeugt) schart in seiner Villa Jünger um sich, denen er in seinen Sitzungen Drogen verabreicht. Das erinnert an den realen US-Psychologen Timothy Leary, der Mitte des 20. Jahrhunderts durch seine LSD-Experimente bekannt wurde.
Anders als Leary zitiert der Guru im „Tatort“ wiederholt Rilke, ist Schwarzenegger-Fan und sieht in dessen Filmografie einen Spiegel für den „Kreislauf des Lebens“. Nach einer der Zusammenkünfte also sind alle außer Goser tot, Brix vermutet einen Gruppensuizid, Janneke ist skeptisch und Gosers Psychoanalyse durchaus zugeneigt. Auch eine verschwundene Performance-Künstlerin gibt Rätsel auf, genauso wie deren vom Krieg gezeichneter Verehrer und Gosers Frankenstein-ähnlicher Mitbewohner.
"Tatort"-Tod durch den Penis eines Blauwals
Das Frankfurter Ermittlungsteam gerät mitten hinein in einen Strudel aus Wahnvorstellungen, die Grusel-Villa wird ihnen zum Gefängnis. Und als man es am Fernseher nicht mehr auszuhalten droht, wird der Verantwortliche für dieses Chaos mit dem Penis eines Blauwals erstochen. Nie war man als Zuschauer dankbarer, dass im richtigen Moment ein solcher greifbar war.
Regisseur Nikias Chryssos sagt über die Episode, er habe „möglichst trippig und immersiv“ werden wollen. „Immersiv“ ist ein Begriff aus der Computerspiel-Sprache und meint, dass das Bewusstsein des Menschen vor dem Bildschirm so stimuliert werden soll, dass er alles um sich herum vergisst und komplett in einer Scheinwelt versinkt. Am Ende aber lässt dieser Fall den Zuschauer vor allem im Bewusstsein zurück, einen richtig schlechten „Tatort“ gesehen zu haben.