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"Tatort"-Kolumne: "Tatort" aus der Schweiz: Gefühlskalt und mit Nebenwirkungen

"Tatort"-Kolumne

"Tatort" aus der Schweiz: Gefühlskalt und mit Nebenwirkungen

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    Sarah Ritschel ist eine von vier "Tatort"-Kritikerinnen und -Kritikern unserer Redaktion.
    Sarah Ritschel ist eine von vier "Tatort"-Kritikerinnen und -Kritikern unserer Redaktion. Foto: Montage: AZ

    Eine Tablette für 100.000 Schweizer Franken, noch dazu nur für ausgewählte Schwerkranke – ist das ethisch vertretbar? Dass Pharmaunternehmen Millionengewinne mit dem Leid von Patienten machen, welches im besten Fall aber ja durch die Behandlung gelindert wird? Dieses Dilemma beleuchtet der „Tatort“ aus Zürich (20.15 Uhr, ARD, 11. September) in unterkühlten, blaugrauen Farben. Den Kommissarinnen geht das an die Nieren – vor dem Fernseher lässt es erstaunlich kalt.

    Der Fall „Risiken mit Nebenwirkungen“ (Regie: Christine Repond, Drehbuch: Stefanie Veith, Nina Vukovic) beginnt mit einem Verhör, in dem es keinen Zweifel über Gut und Böse gibt: Top-Anwältin Corinne Perrault (Sabine Timoteo) wirft der unheilbar kranken Klara (Anouk Petri) vor, dass sie das Leben anderer Kinder gefährdet. Denn Klara ist Probandin für das ultrateure Medikament Volmelia, dessen Zulassung durch die schweren

    Wenig später treibt die gnadenlose Anwältin tot im Zürichsee, auf ihrem Hausboot gemeuchelt mit einer Überdosis Insulin.

    Die jugendliche Zeugin Klara Canetti (Anouk Petri) kollabiert neben Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher).
    Die jugendliche Zeugin Klara Canetti (Anouk Petri) kollabiert neben Kommissarin Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher). Foto: Sava Hlavacek, SRF, ARD/dpa

    Was folgt, ist eine klassische Tätersuche. Rund um die Zentrale des profitgierigen Pharmaherstellers Argon – ein schwarz verspiegelter Wolkenkratzer, architektonisch so kalt wie die Mitarbeiter – ermitteln Tessa Ott (Carol Schuler) und Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) in einem Labyrinth, in dem alle ein Motiv hätten, sich gegenseitig umzubringen: Klaras Mutter, krank vor Angst um ihre Tochter und auf eine Millionenentschädigung hoffend, der Liebhaber der Toten, der gern Partner in der Großkanzlei wäre, die Chefin, der ihre Ziehtochter abtrünnig wird, und die Entwicklerin des revolutionären Medikaments, das plötzlich Komplikationen hervorruft. Ott wittert früh eine Spur: „Folge dem Geld oder dem Sperma.“

    Es ist schauspielerisch groß, wie gefühlskalt alle Akteurinnen und Akteure ihre Rollen inszenieren. Aber es bewirkt eben auch, dass man als Zuschauer seltsam teilnahmslos bleibt. Und warum nahm die Tote – immerhin kein Teenie mehr – ständig Handyvideos auf? Offensichtlich nur, damit die Kommissarinnen die Clips einem Verdächtigen nach dem anderen vorspielen können, Täter überführt. Damit macht das Drehbuch es sich zu einfach.

    Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler, rechts) in einer Befragung.
    Kommissarin Tessa Ott (Carol Schuler, rechts) in einer Befragung. Foto: Sava Hlavacek, SRF, ARD/dpa

    Subtiler ist die Beziehung zwischen den Kommissarinnen. Zwar werden ihre Persönlichkeiten immer noch plakativ dadurch differenziert, dass die eine mit dem Rad und die andere in der Limousine zum Tatort fährt, die eine duzt und die andere nicht, aber es entwickelt sich etwas zwischen den beiden. Bei aller Emotionslosigkeit in diesem Fall wärmt es das Herz, wie immerhin die kühle Ausstrahlung Grandjeans langsam dahinschmilzt.

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