Im Wald wohnt das Böse, das weiß jedes Kind, das mit den Märchen der Brüder Grimm in Berührung kam. Dass es in der Nähe des flachen Bremen ein hügelig-mooriges Waldgebiet gibt, das "Bremer Schweiz" genannt wird, ist weniger bekannt. Auch der Bremer Stadtteil Schwachhausen – ein Villenviertel, wie es im Buche steht – zählt nicht zum Allgemeinwissen. Und so erfährt man im Ostermontags-"Tatort" (ARD, 20.15 Uhr) doch einiges, auch von der Existenz des Wortes "Dropping". Was die ARD in ihrer "Tatort"-Vorschau dankenswerterweise erklärt: Ohne technische Hilfsmittel sollen die drei Freundinnen Ayla Ömer, Viola Klemm und Marlene Seifert aus Schwachhausen "aus dem tiefen Wald", in dem ihre "behüteten Teenager-Kinder" sie mit verbundenen Augen ausgesetzt haben, zurück nach Hause finden. Es ist ein Selbst-Test, denn die Frauen wollen danach ihre Kinder in den Wald schicken, eine Teambuilding-Maßnahme, sozusagen.
Wer möchte, kann nun nach "Hänsel und Gretel"-Anspielungen fahnden. Aber die neue Bremer Folge "Angst im Dunkeln" will sichtbar eher "Nordic Noir" sein denn Märchen-Adaption: Drohnenbilder, undurchdringlicher, finsterer, nebliger, verregneter, sumpfiger, knirschender, knisternder, fliegenbevölkerter Wald. Oder im ARD-Deutsch: "Ein Mikroabenteuer wird zum Horror".
Auch dieser "Tatort" hat ein Glaubwürdigkeitsproblem, das Fans skandinavischer Krimis besonders stören dürfte
Möglicherweise geht der "Handy-Mann" wieder um, der vor acht Jahren heimlich Fotos von zeltenden Frauen machte – mit deren Handys. Eine Frau ist bis heute vermisst, hat er sie ermordet und hier im Wald verscharrt? "Scheiß Wald!", schimpft Ermittlerin Liv Moormann (Jasna Fritzi Bauer) jedenfalls. Ihre Kollegin Linda Selb (Luise Wolfram) stimmt später in die Schimpferei mit ein: "Scheiß Schwachhausen!" Das unverändert seltsame Duo muss – leider auch künftig ohne den dänischen Kollegen Mads Andersen (Dar Salim) – aufklären, wer für den Tod der besserwisserischen und, wie sich herausstellt, unbeliebten Marlene (Inez Bjørg David), ertrunken in einer Waldpfütze, verantwortlich ist: der "Handy-Mann"? Die Freundinnen? Einer der Ehemänner oder eines der Kinder?
Der oder die Täterin schickte, welch Grusel, ein Foto der toten Marlene auf die Handys von Ayla (Pegah Ferydoni) und Viola (Sophie Lutz). Und die Frauen finden nicht mehr aus dem Wald heraus, stritten sich und gingen getrennter Sumpfwege. Erzählt wird das in Rückblicken, zunächst im Zweistunden-Countdown-Takt ("36 Stunden vor Marlenes Tod", "34 Stunden vor Marlenes Tod", ...).
Das ist durchaus spannend, selbst das Ende bietet die eine oder andere spannende Wendung (die Brüder Grimm waren da vorhersehbarer). Nur hat dieser zweifelsohne beste Bremer Moormann-Selb-"Tatort" ein Glaubwürdigkeitsproblem, das Fans skandinavischer Krimis besonders stören dürfte. Diese oft international herausragenden Produktionen vermeiden die "Tatort"-Grundfehler: unglaubwürdige, teils ungewollt komische Figuren und verkopfte Konstruktionen. In "Angst im Dunkeln" findet sich beides. Immerhin fällt ein wenig Licht auf Linda Selbs Vergangenheit. In ihren Worten: "Scheiß Schwachhausen!"