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"Tatort"-Kolumne: Tarnen und Täuschen: So wird der letzte "Tatort" vor der Sommerpause

"Tatort"-Kolumne

Tarnen und Täuschen: So wird der letzte "Tatort" vor der Sommerpause

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     Andreas Frei ist einer von vier "Tatort"-Kritikerinnen und -Kritikern unserer Redaktion.
    Andreas Frei ist einer von vier "Tatort"-Kritikerinnen und -Kritikern unserer Redaktion. Foto: Augsburger Allgemeine (Illustration)

    Die Geschichte des "Tatort" ist eine Geschichte des Tarnens und Täuschens. Selten, dass in all den Jahren der Mörder (rarer: die Mörderin) schon in Filmminute drei überführt wurde und die Story in den 87 Restminuten trotzdem ihren Reiz hatte. Den Standard prägen bis heute falsche Fährten, unzählige Verdächtige, Wendungen und Nebelkerzen. Sie sind, wenn man so will, die Kartoffeln im kriminalistischen Kartoffelsalat. Irgendwann ist dann der Teller leer und der Fall gelöst. Damit hinein ins beschauliche Freiburg, einer Hochburg des Kartoffelsalats mit Blick auf die dramaturgische Hausmannskost, die das dortige Kommissariat für Tötungsdelikte im Regelfall serviert – und was meistens zu schmecken vermag, zumindest satt macht.

    Das ordentlich Action verlangende oder über moderne gesellschaftliche Themen sinnierende Publikum rümpft beim Tandem Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) und Franziska Tobler (Eva Löbau) ja gerne mal die Nase, lassen die Drehbücher die zwei doch arg bodenständig und entsprechend konventionell zu Werke gehen. Aber genau das kann auch seinen Reiz haben – wenn die Story stimmt. Und die stimmt in der neuen Episode (Pfingstmontag, ARD, 20.15 Uhr), dem letzten "Tatort" vor der diesmal sehr frühen und damit sehr langen Sommerpause (wohl bis Mitte August). Wenn auch nicht unbedingt räumlich. Denn wer erwartet, dass "Letzter Ausflug Schauinsland" eine Art Verbrechensbekämpfung im Urlaubsidyll bietet, wie der Titel verspricht, wird enttäuscht. Der 1284 Meter hohe Schwarzwaldberg vor der Freiburger Haustür ist Fundort einer Leiche – mehr aber auch nicht.

    Da sind sie, die Nebelkerzen und falschen Fährten im neuen Freiburger "Tatort"

    Die Psychologin Lisa Schieblon liegt erdrosselt im Kofferraum ihres Autos. Sie arbeitete gerade an einem Gutachten über Hansi Pagel (Rüdiger Klink), einem Mann mit einer Persönlichkeitsstörung, der wegen Gewalt gegen seine Ehefrau Andrea und die zwei Kinder verurteilt worden war und sich seit Jahren im Maßregelvollzug befindet. Pagel erhoffte sich von dem Gutachten seine Freilassung. Wer könnte also Interesse daran haben, dies zu verhindern? Logo, die Familie, zumindest Frau und Sohn Leo. Die geben dann auch null Kummer zu erkennen, als ihnen die Todesnachricht überbracht wird, eher unter null, und der Sohnemann raunt der Frau Mama in einem unbeobachteten Moment auch noch zu: "Wir ziehen das durch, ja?"

    Oder ist Milan, Pagels Zimmergenosse in der Forensik, der böse Bube? Der väterliche Kumpel ist seine wichtigste emotionale Stütze im Klinikalltag. Wäre der weg, würde eine Welt für ihn zusammenbrechen. Oder Schieblons Mann? Das Paar pflegte eine offene Ehe. Doch Eifersucht? Dann stellt sich heraus, dass Pagel vor dem Tod der Gutachterin gegen alle Regeln allein mit ihr am Schauinsland unterwegs war. Und schließlich bricht er auch noch im Arbeitsdienst an der Nähmaschine zusammen. Diagnose: Medikamentenmissbrauch. Suizid? Mordversuch? Da sind sie wieder, die Nebelkerzen und falschen Fährten.

    Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) ermitteln im Fall einer getöteten Psychologin.
    Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) ermitteln im Fall einer getöteten Psychologin. Foto: Christian Koch, SWR/dpa

    Berg und Tobler hinterlassen keine Sternstunde der Polizeiarbeit

    Ermittlungstechnisch hinterlassen Berg und Tobler keine Sternstunde der Polizeiarbeit. Aber ihr Vorgehen wie die Geschichte selbst sind sauber konstruiert. Herausragend sind zwei Figuren: die undurchschaubare Oberärztin Gisela Tausendleben (Ulrike Arnold) und der herrlich cholerische Hansi Pagel. Dass der (hallo: Freiburg!) statt im badischen Singsang eher mit breitem kurzpfälzischem Dialekt die Kommissare anpöbelt, ist verkraftbar, weil schauspielerisch stark.

    Und dass sich das Ende ziemlich zieht, nun ja – auch nicht entscheidend. Es bringt nur eine, sagen wir, familiäre Unlogik mit sich, die stört. Wenigstens steht dabei Ofenhuhn auf dem Tisch. Hausmannskost eben. Insofern auch wieder logisch.

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