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Tatort-Kolumne: Solo für Grosz: So wird der "Tatort" am Sonntag

Tatort-Kolumne

Solo für Grosz: So wird der "Tatort" am Sonntag

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    Solo für Grosz: So wird der "Tatort" am Sonntag
    Solo für Grosz: So wird der "Tatort" am Sonntag

    Falke und Grosz sind im „Tatort“-Universum fürs Grobe zuständig. Sie nehmen es mit einem südamerikanischen Diktator ebenso auf wie mit der Russenmafia und ermitteln gerne auf eigene Faust.

    Arg grob gezeichnet ist dabei vor allem der von Wotan Wilke Möhring gespielte Thorsten Falke. Den Drehbuchautoren reicht es offensichtlich, ihn in eine Lederjacke zu stecken, Shirts von Punkbands tragen, ab und zu „Alter“ sagen und Milch trinken zu lassen. Dazu bedeutungsschwere Blicke und Sätze.

    Immer wieder wurde in den letzten Jahren seine Vergangenheit als Arbeiterkind und Linker thematisiert, merkwürdig blass geblieben ist er dennoch – selbst, nachdem er in der Folge „Tyrannenmord“ weitgehend ohne die eher unnahbare Julia Grosz (Franziska Weisz) ermitteln durfte. Jetzt hat sie in „Schattenleben“ (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) eine Art Solo. Tief hinein geht es in ihre Gefühlswelt, und Weisz spielt nicht nur gut, es kommt auch ihrer Ermittlerfigur zugute, die weitere Facetten erhält.

    Emotionales Wiedersehen nach langer Zeit: Julia Grosz (Franziska Weisz, links) mit der verzweifelten Ela (Elisabeth Hofmann).
    Emotionales Wiedersehen nach langer Zeit: Julia Grosz (Franziska Weisz, links) mit der verzweifelten Ela (Elisabeth Hofmann). Foto: NDR/O-Young Kwon

    Grosz wird nach einem Brandanschlag auf einen Hamburger Polizisten von ihrer lange nicht gesehenen und völlig verzweifelten Polizeischul-Freundin Ela (Elisabeth Hofmann) kontaktiert. Dann verschwindet diese. Und es wird schnell klar: Ela ermittelte verdeckt in der linksautonomen Szene, Grosz war verliebt in sie. Was aus dem „Tatort“ allerdings keine „lesbische Coming-Out-Geschichte“ mache, wie Weisz erklärte. Nun ja.

    Die "Tatort"-Folge "Schattenleben" ist wie einer dieser Themenschwerpunkt-Abendfilme, über die hinterher in einer Talkshow diskutiert wird

    Falke und vor allem Grosz, die nun ebenfalls zur Undercover-Ermittlerin wird und mit Elas Freundin im Bett landet, nehmen es dieses Mal also mit der gewaltbereiten Linken auf. Und mit der immer noch von den Nachwirkungen der G20-Gipfel-Ausschreitungen geplagten Hamburger Polizei.

    Die Tat sei eine in einer Reihe linker Anschläge auf Polizisten gewesen, befindet der unsympathische Staatsschützer Hartmut Keiler (Christian Kerepeszki) umgehend, wohlwissend, dass es auch ein Problem mit Polizeigewalt gegen Festgenommene gibt. Ausgeführt wird dieser Erzählstrang leider nicht. Dafür umso mehr das Thema Gendergerechtigkeit in allen möglichen Formen. Keiler witzelt darüber. Ein alter Freund Falkes aus der linken Szene ächzt, er wolle sich nicht dem Vorwurf des Sexismus aussetzen. Und am Ende stehen die älteren weißen Männer, jeder auf seine Weise, schlecht da.

    Wotan Wilke Möhring als Thorsten Falke: Immer wieder wurde dessen Vergangenheit als Arbeiterkind und Linker thematisiert, merkwürdig blass geblieben ist die Ermittlerfigur dennoch.
    Wotan Wilke Möhring als Thorsten Falke: Immer wieder wurde dessen Vergangenheit als Arbeiterkind und Linker thematisiert, merkwürdig blass geblieben ist die Ermittlerfigur dennoch. Foto: NDR/O-Young Kwon

    Als Krimi ist „Schattenleben“ mäßig spannend, der Schluss ärgerlich einfallslos. Einmal mehr entweicht dem mächtig aufgeblasenen Überbau (Diktator, Mafia, Linksautonome) bald die Luft. In diesem Fall ähnelt der „Tatort“ einem dieser Themenschwerpunkt-Abendfilme, über die hinterher in einer Talkshow diskutiert wird: Sexismus, Polizeigewalt etc. Das reale Vorbild: 2015 flogen zwei Polizistinnen auf, die im autonomen Zentrum Rote Flora in Hamburg spionierten, und sogar Liebesbeziehungen zu Aktivisten hatten.

    Erstmals wurde eine Vertragsklausel angewendet, die für mehr Diversität vor und hinter der Kamera sorgen soll

    Ebenso ganz "real": Erstmals wendete mit dem NDR nach eigenen Angaben eine öffentlich-rechtliche Anstalt den „Inclusion Rider“ an – einen Vertragsbestandteil, der Diversität vor und hinter der Kamera garantiert. An der Produktion mussten demnach bestimmte Bevölkerungsgruppen zu einem entsprechenden Prozentsatz beteiligt sein: Frauen, People of Color, LGBTQ+ und andere.

    Julia Grosz (Franziska Weisz, Mitte) beruhigt Elas Freundin Nana (Gina Haller, rechts). Diese und Maike (Jana Julia Roth) sind Teil der linken Szene Hamburgs.
    Julia Grosz (Franziska Weisz, Mitte) beruhigt Elas Freundin Nana (Gina Haller, rechts). Diese und Maike (Jana Julia Roth) sind Teil der linken Szene Hamburgs. Foto: NDR/O-Young Kwon

    Erreicht worden sei mit Blick auf den Standort Hamburg bei Regie und Produktion, dass 65 Prozent der "Headpositionen" im Team weiblich besetzt und eine BIPoC-Besetzung von knapp 17 Prozent erzielt wurde, erklärte Christian Granderath, der die Abteilung „Film, Familie & Serie“ im NDR leitet. Er sprach von einem Signal in Gesellschaft und TV-Branche hinein. BIPoC ist die Abkürzung von Black, Indigenous, People of Color - steht also für schwarz, indigen und People of Color.

    Für die "Tatort"-Folge "Schattenleben", die im ohnehin "bunten" Hamburg spielt, wäre eine derartige Quotierung kaum erforderlich gewesen - schon gar nicht inhaltlich. Irritierend ist es daher, dass es aus Sicht der Macherinnen und Macher mitunter erklärungsbedürftig zu sein scheint. Etwa, wenn sie Thomas Okonjo (Jonathan Kwesi Aikins), der Falke für die angeblich erkrankte Grosz geschickt wird, in Richtung Zuschauerinnen und Zuschauern sagen lassen: Er sei der einzige schwarze Bundespolizist im Umkreis von 200 Kilometern.

    Möhring: Wenn jemand etwas gut könne, seien Hautfarbe, Geschlecht oder sexuelle Ausrichtung "völlig egal"

    Vielleicht sollte man manches künftig mit größerer Gelassenheit und Beiläufigkeit angehen. Oder, wie es Wotan Wilke Möhring, Befürworter einer Quotierung, sagte: "Wenn jemand etwas gut kann, dann sind seine Hautfarbe, sein Geschlecht oder seine sexuelle Ausrichtung völlig egal." Einen neuen Begriff wie "Inclusion Rider" bräuchte er übrigens nicht. Denn der klinge für ihn "nach einem Fahrzeug für kleine Kinder".

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