Manchmal müssen die Feste wohl auch so gefeiert werden, wie sie halt fallen. Wenn die Kommissarin Karin Gorniak (Karin Hanczewski) Geburtstag hat, dann wollen sie alle hochleben lassen – egal, ob sie gerade ein Haus auf den Kopf stellen, in dem Blut an Türen, Wänden und dem Bett klebt. Und so dudelt plötzlich „Happy Birthday“ von Stevie Wonder aus der Hausanlage, die Streifenpolizisten und die Leute von der Spurensicherung tanzen und klatschen – bis der griesgrämige Chef Schnabel (Martin Brambach) dem uniformierten Spuk ein Ende macht: „Das ist ein Tatort!“
Ja, so was passiert in Wirklichkeit nicht am, sondern wohl nur im „Tatort“, in diesem Fall der neuesten Folge aus Dresden mit dem Titel „Das kalte Haus“ (ARD, Pfingstmontag, 20.15 Uhr). Es ist eine von einer Handvoll skurriler Szenen, die einem eigentlich tieftraurigen Szenario ein wenig Leichtigkeit einhauchen.
Aus besagtem Haus ist eine Frau verschwunden. Geblieben scheinen nur überlebensgroße Fotos von ihr an den Wänden – und eine Menge Blut, das vermutlich von ihr stammt. Wie sich rausstellt, ist sie eine Art Psycho-Influencerin, die im Internet den Menschen vom „Glücksort“ erzählt.
Die Handlung spielt mit sehr unterschiedlichen starken Gefühlen: Liebe, Zorn, Verzweiflung, Angst
In ihrem Fall scheint das eher die Story vom Pferd zu sein, denn mit ihrem Mann kann sie nicht glücklich gewesen sein. Der neigt zu Gefühls- und Gewaltausbrüchen, scheint sie aber wohl abgöttisch zu lieben. So jedenfalls führt er sich auf. Kann einer wie er auch töten? Die Frau umbringen, die er so verehrt hat und die ihn wohl verlassen wollte? Das kommt im richtigen Leben immer mal wieder vor.
Davon lebt dieser „Tatort“, von der permanenten Unsicherheit, ob dieser psychisch schwer auffällige Ehemann Simon Fischer (Christian Bayer) seine Kathrin (Amelie Kiefer) ermordet hat oder nicht. Die Handlung spielt mit sehr unterschiedlichen starken Gefühlen: Liebe, Zorn, Verzweiflung, Angst und der Ahnung, dass da irgendwas faul ist an der protzigen Bürgerlichkeit und den wohlfeilen Glücksversprechen.
In dieser "Tatort"-Folge steckt eine Menge Natürlichkeit, sogar Spaß im Angesicht des Verbrechens
Regisseurin Anne Zohra Berrached ließ ihren Schauspielerinnen und Schauspielern beim Drehen sehr viele Freiheiten, wie sie gegenüber dem MDR zu Protokoll gibt – und das haben sie sichtbar genutzt. In dieser Folge steckt eine Menge Natürlichkeit, sogar Spaß im Angesicht des Verbrechens. So schafft sie es auch, dass die „Tatort“-übliche Faktenvermittlung nicht mit dem ganz großen Holzhammer verabreicht wird. Das Thema häusliche Gewalt steht im Kern dieser Folge, und dazu gibt es einiges zu sagen.
Vor den finalen Schüssen darf Leonard Cohen sein auf ungezählten Hochzeiten und Beerdigungen abgenudeltes „Hallelujah“ singen. Textlich deutlich besser gepasst hätte Queens „Too much love will kill you“, zu viel Liebe bringt dich um.