Ach, "Tatort", du kannst es besser! Nicht, dass die neue Folge aus Köln, "Pyramide" (Sonntag, 20.15, ARD), grob misslungen wäre. Aber man wird doch vom Sonntagskultkrimi etwas mehr erwarten dürfen, als ein aus allen möglichen Zutaten (Geiselnahme, Verfolgung, Entführung, Verhör) zusammengerührtes Fernsehkrimi-Menü, in dem Fall ein achtgängiges. Kritiker mögen nur TV-Sterneküche? I wo. Sie mögen es, wenn etwas stimmig – und wie beim Guide Michelin und der Ein-Stern-Klassifizierung – "einen Stopp wert" ist. Der Kölner "Tatort" (Buch: Arne Nolting, Martin Scharf) ist dagegen (nein: nicht wie eine Currywurst) wie ein Eintopf mit guten einzelnen Zutaten, hinterlässt einen allerdings fragwürdigen Gesamteindruck.
Dazu tragen altbekannte Kölner "Tatort"-Schwächen bei: die Dialoge und die Schlusssequenzen. Man muss es mit Ausrufezeichen schreiben (als Ausdruck des Verzweifelns): die Dialoge! Die Schlusssequenzen! Erstgenannte sind gerne hölzern, weltfremd und haben einen Hang zum Pathos; letztgenannte sind gerne zuckrig und pathetisch, wie erneut in dieser Folge. Alles garniert mit einer Prise Sozialromantik. Warum nur, warum?
Kostprobe Dialog:
Sie: "Du hast doch eine stabile Ausbildung ..."
Er: "Ist es nicht auch ein geiler Plan, einfach reich zu werden? ... Ich will doch einfach nur genug für ein anständiges Auto. Öfter mal essen gehen, nicht jeden Cent dreimal umdrehen. Einfach mal leben ..."
So spricht gewiss keine Kölnerin und kein Kölner. Im "Tatort" sprechen so zwei der Hauptfiguren, der frühere Bundeswehr-Fernmelder André Stamm (Rouven Israel) und seine hochschwangere Frau Anja (Roxana Samadi). Stamm ist da bereits mittendrin in etwas, das das Leben vieler Menschen zerstören wird, als einer der kleinsten und schwächsten Bausteine der "Concreta"-Pyramide. Die Concreta ist ein "Strukturvertrieb", zu dem ihm sein früherer Vorgesetzter bei der Bundeswehr, Rocko Andersen (Oleg Tikhomirov), gelockt hat.
Max Ballauf und Freddy Schenk treten diesmal wie Statisten auf
Bei der Concreta werden gutgläubigen Menschen riskante "Invests" aufgeschwatzt, an denen vor allem die Spitze der Pyramide verdient: Christopher Komann, den Robin Sondermann als Sektenguru gibt. Der ist derart unverschämt-egozentrisch, dass er den wackeren Kommissaren Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) – die diesmal wie Statisten auftreten ("Hatte er Feinde?") – einen Job anbietet. Nebensächlich auch der Tote: ein Anwalt für Verbraucherschutz, der erschlagen wurde. Er sollte eine Sammelklage gegen die Concreta vorbereiten und machte einen Rückzieher. Neu ist so ein Plot nicht, umso mehr hätte man einen weniger klischeebehafteten Umgang mit dem Stoff erwarten können.
Serviert wird der in acht Gängen, ergo Kapiteln, deren eingeblendete Titel "Verführung" heißen, "Versuchung" oder "Habgier". Und in denen Stamm vom Opfer zum Täter wird. Schon erwähnt, dass das holzschnittartig ist? Aber bitte: Die Geschmäcker sind verschieden.