"Borowski und der Wiedergänger" (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) ist ein "Tatort", bei dem man nach ein paar Minuten wieder umschalten würde – wäre man nicht "Tatort"-Kritiker geworden. Man hätte, im Falle des Umschaltens, allerdings einige wirklich witzige Szenen und Dialoge verpasst. Da schießt Klaus Borowski (Axel Milberg) kurzerhand eine Paparazzi-Drohne ab, sein Chef Roland Schladitz (Thomas Kügel) grübelt darüber nach, ob man Polizeitaucher mit "Petri Heil" grüßen darf und seine diesmal sehr ironische Kollegin Mila Sahin (Almila Bagriacik) fragt mit Blick auf Zeuginnen aus der Kieler Unternehmerkaste: "Kriechen wir denen jetzt in den Arsch?" Worauf Borowski typisch lakonisch antwortet: "Kommt darauf an, was wir darin finden, oder?"
Das klingt gut, zugegeben. Aber selbst die gegen Ende phasenweise interessant konstruierte Geschichte rettet diesen "Tatort", der auf dem Papier hohe Erwartungen weckte, nicht. Immerhin stammt das Drehbuch von Sascha Arango, der nicht allein dem Kieler "Tatort" mit den drei Folgen um den Psychopathen Kai Korthals (Lars Eidinger) eine der überragenden Krimifiguren der vergangenen Jahre schenkte. Arango beginnt dramatisch: Eine Frau schlägt nachts mit einer Preis-Trophäe in ihrem Haus auf einen Eindringling ein, dann geht es durch ein "Wurmloch" in einen Schuppen, der als großformatiges Schwarz-Weiß-Foto im Wohnzimmer der Frau hängt. Die feiert dort – man ist zurück in der Vergangenheit – ausgelassen, dass sie als "Unternehmerin des Jahres" ausgezeichnet wurde, die Trophäe in den Händen. Es ist Greta Exner (Cordelia Wege) von "Exner Präzisionsinstrumente", Hersteller von OP-Robotern, eine Milliarde Jahresumsatz, seit Kurzem im DAX. Feinste Gesellschaft.
"Borowski und der Wiedergänger": Die Spannung sinkt in diesem "Tatort" schneller als jedes Segelboot
Nur: Wie Arango hier Klischees zu einem riesigen Klischee-Berg auftürmt, das ist nicht mehr feierlich. Und wie sich Greta Exner bewegt, wie sie blickt, spricht, tanzt – das ist dermaßen drüber, gekünstelt und unglaubwürdig, dass es einen zur Fernbedienung greifen lässt. Erst recht, als ihr Mann auftritt, ein heterosexueller Conchita-Wurst-Verschnitt. Wie sich herausstellt, eine arme Wurst im goldenen Käfig, in den er eingeheiratet hat. Der "Animateur, Masseur, Charmeur" (so Sahin) "Toby" Exner (Pétur Óskar) chattet mit einer "Kitty13", die er auf einer Dating-Plattform kennenlernte: Er wolle frei sein, alles sei leichter ohne seine Frau. Plante er deren Ermordung, zusammen mit "Kitty13"? Doch warum verschwand nicht sie, sondern er spurlos von Bord des 13 (!) Meter langen Segelbootes namens "Kitty" (!!), auf dem in einer Tonne eine zersägte Schaufensterpuppe als "Probeleiche" gefunden wird?
Man ahnt es, "Kitty13" ist seine Frau, und Drehbuchautor Arango macht trotz des mysteriösen Anfangs ausgerechnet daraus kein Geheimnis. Die Spannung sinkt schneller als jedes Segelboot. Völlig rätselhaft, warum zwischendurch Vernehmungsvideos eingeblendet werden (die wirken wie Waschmittelwerbespots) und Szenen vorkommen, die an "Peter Steiners Theaterstadl" erinnern (und Steiner beherrschte das deutlich besser). Mysteriös endet diese Folge auch, in der von Anfang an alles so klar wie absurd ist. Sollte "Borowski und der Wiedergänger" als Reichen-Satire gedacht gewesen sein: Es funktioniert nicht.