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Tatort-Kolumne: Ballauf und Schenk laufen im neuen Kölner "Tatort" zur Hochform auf

Tatort-Kolumne

Ballauf und Schenk laufen im neuen Kölner "Tatort" zur Hochform auf

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    Ballauf und Schenk laufen im neuen Kölner "Tatort" zur Hochform auf
    Ballauf und Schenk laufen im neuen Kölner "Tatort" zur Hochform auf Foto: Montage: AZ

    Um gleich mit der Tür ins Haus zu fallen: Wer sportaffin ist, sollte im Vorspann auf keinen Fall den Episodentitel lesen. Akute Retro-Gefahr. Denn wann bitte ist einem zuletzt der Name Huberty begegnet? Plötzlich also, in großen Buchstaben, im Jahr 2022: „Hubertys Rache“. Wem sollte Ernst Huberty es wofür heimzahlen? Seinen „Sportschau“-Kollegen dafür, dass sie ihn in den Siebzigern in diese fiesen Moderationsanzüge gesteckt haben? Seinem Friseur für den stets sehr tief sitzenden Seitenscheitel? Dem Wettergott, weil er das als „Wasserschlacht von Frankfurt“ legendär gewordene Fußball-WM-Spiel 1974 zwischen Deutschland und Polen live im Stadion kommentieren musste? Kopfkino, und es hört nicht auf.

    Fehler. Denn der neue Kölner „Tatort“ (Sonntag, ARD, 20.15 Uhr) fällt selbst derart mit der Tür ins Haus, dass man sich einen gedanklichen Seitensprung nicht erlauben darf. Nach gefühlten zwei Minuten steckt man mitten in einem hochexplosiven Geiseldrama. Und zugleich – ein paar handwerkliche Schwächen ausgeklammert – in einem der besten Ballauf-und-Schenk-Fälle seit langem.

    Welcher "Tatort" ist nicht ein bisserl arg konstruiert?

    Huberty also, allerdings mit Vornamen Daniel (stark: Stephan Kampwirth), ein ehemaliger Gymnasiallehrer, saß einst in Haft, weil er eine sexuelle Beziehung mit einer minderjährigen Schülerin hatte. Der Mann glaubt, im Prozess ungerecht behandelt worden zu sein – und will sich rächen. Er platziert auf einem Ausflugsschiff eine Bombe; dass dabei ein Mechaniker stirbt, ist nur ein Randaspekt des Falls. Der Krimi zieht seine Spannung aus Hubertys Forderung, dass diejenigen Personen an Bord gebracht werden, die, wie er findet, seine Existenz zerstört haben. Er will nun quasi ihnen den Prozess machen – und selbst Richter spielen. Nur dann ist er bereit, unbeteiligte Geiseln gehen zu lassen.

    Die obligatorische Leiche im "Tatort" ist diesmal nur ein Randaspekt für die Kölner Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, rechts) und Freddy Schenk (Dietmar Bär, links stehend).
    Die obligatorische Leiche im "Tatort" ist diesmal nur ein Randaspekt für die Kölner Kommissare Max Ballauf (Klaus J. Behrendt, rechts) und Freddy Schenk (Dietmar Bär, links stehend). Foto: Thomas Kost, WDR/Bavaria Fiction Gmbh /dpa

    Ja, natürlich ist die Geschichte ein bisserl arg konstruiert, aber welcher „Tatort“ ist das nicht? Dass so mancher zeitliche Ablauf nicht stimmt, na ja. Und selten wirkte eine Staatsanwältin (Renan Demirkan) so unbeholfen, ja unglaubwürdig. Aber der Film verkraftet das. Der Spannungsbogen hält über 90 Minuten. Ballauf (Klaus J. Behrendt) geht freiwillig als Geisel aufs Schiff und taumelt dem Abgrund entgegen. Logisch, dass er noch die Kurve kratzt. Gleich zwei „Tatort“-Kommissare, die binnen fünf Wochen das Zeitliche segnen (traurige Erinnerung an Bönischs Abschied in Dortmund), geht ja nicht. Und Schenk (Dietmar Bär)? Der bangt hilflos um seinen Partner und sagt am Ende zu ihm: „Mach das nicht noch mal, Max.“

    Übrigens: „Mister Sportschau“ Ernst Huberty ist gerade erst 95 geworden und erfreut sich guter Gesundheit. Nur, damit das Kopfkino endlich aufhört.

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