Der Weihnachtsmann ist auch nicht mehr das, was er mal war. Er trägt ein billiges rot-weißes Kapuzenkostüm, das noch nicht mal neun Euro gekostet hat und aus Fernost stammt. Sein Schlitten ist eine weiße Rostlaube und er selbst karrt die Pakete durch strömenden Regen statt durch stäubenden Neuschnee, er schnauft Treppen hoch und muss sich auch noch blöd anmachen lassen. Eiliger Bimbam: Der Weihnachtsmann ist heutzutage ein mies bezahlter, gestresster Kurierfahrer – und manchmal wird er sogar überfallen und überlebt die Attacke nicht. Zumindest ist das so in "Des anderen Last", dem neuen Kölner "Tatort" (Sonntag, ARD, 20.15 Uhr).
Der biblische Titel dieses "Tatorts" passt zur Vorweihnachtszeit
Der Titel spielt auf das Bibelzitat "Einer trage des anderen Last" an, doch anders als im Brief an die Galater geht es in dieser Folge nicht darum, das "Gesetz Christi" zu erfüllen, sondern das des Kapitalismus. Das verlangt im harten Konkurrenzkampf stete Kostenoptimierung. Im Paketlieferdienst wird viel getragen und der Druck ist besonders groß – wie groß, schildert diese im rollenden Ausbeutermilieu angesiedelte Folge in sinistren Farben. Ein Paketlieferant wird bei einem Überfall erstochen – und er bleibt nicht das einzige Opfer. Das altgediente Ermittlerpärchen Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk (Dietmar Bär) taucht in eine Branche mit ausgesprochen rauen Sitten ein, in der es vor Opfern nur so wimmelt – Opfern einer systemimmanenten Gnadenlosigkeit. Diese wird perfekt durch die knorrige, vom Leben und von Zigarillos gegerbte Fuhrunternehmerin Sybille Jäger (Susanne Bredehöft) verkörpert, die eine Schwäche für das "Auge um Auge"-Prinzip hegt.
Doch diesmal spielt das Kölner Männerduo eher die Nebenrolle, denn Kriminaltechnikerin Natalie Förster (Tinka Fürst) bekommt nach ihrem ersten langen Auftritt in "Spur des Blutes" erneut breiten Raum, den sie hervorragend zu nutzen weiß: Verdeckt ermittelt sie in der Paketboten-Szene, erlebt Gnadenlosigkeit, aber auch anrührende Momente. Überhaupt ist dies wieder eine gute, stimmige Kölner Folge mit klarer sozialer Ausrichtung, in der die Ausgebeuteten "gesehen" werden und Drehbuchautor Paul Salisbury ohne falsche Sentimentalität auf ihr Schicksal blickt. Am Ende tut sich ein Abgrund an tragischen Verkettungen auf. Doch da am Sonntag ja die erste Kerze am Adventskranz brennt, findet dieser Vorweihnachts-"Tatort" zu einem versöhnlichen Ende mit einer Art "Wunder" – zumindest für Kölner Verhältnisse, doch das hat weder was mit Karneval noch mit einer Wiederauferstehung des gebeutelten FC zu tun.