Um einen ungewöhnlichen „Tatort“ in deutsche Wohnstuben zu schicken, genügt es meist schon, auf die handelsübliche Frage nach dem „Wer war’s“ zu verzichten. Der Hessische Rundfunk, der mit seinem Wiesbadener LKA-Ermittler Murot das „Ungewöhnliche“ zum Markenkern erhoben hat, bleibt sich treu und bürstet auch diese Folge namens „Murot und das Gesetz des Karma“ (ARD, 20.15 Uhr) simpel gegen den Strich: Der Mörder ist der etwas verhaltensauffällige Handlanger des bösen Finanzhais, der ein Wirecard-ähnliches Schwindelsystem betreibt. Das bekommt die Fangemeinde gleich in der ersten halben Stunde serviert.
Aber da ist ja noch mehr. Murot (Ulrich Tukur) hat sich für ein vermutlich nicht ganz kleines Zubrot als Vortragsredner von einer Versicherung anheuern lassen. In der Bar des Hotels versucht er anschließend mit leicht altväterlichem Charme und etwas Lügerei, eine junge Frau zu bezirzen. Doch die kippt ihm K.-o.-Tropfen in den Wein, schleift ihn aufs Zimmer und nimmt ihn aus.
Murot ist einer Trickbetrügerin aufgesessen, die kurz zuvor schon einem ältlichen Herrn einen Laptop aus der Aktentasche gemopst hat. Eben jener Mann wird am nächsten Tag ermordet in seinem Zimmer gefunden, und das hat etwas mit dem verschwundenen Computer zu tun. Der enthielt brisantes Material, für das es sich offenbar lohnt zu morden. Auch Murot hat etwas zu verbergen: Er versucht, seiner Mitarbeiterin Magda Wächter (Barbara Philipp) die K.-o.-Tropfenaffäre zu verheimlichen.
Klappt natürlich nicht, denn die Frau ist schlau – so wie die wandelbare Betrügerin (Anna Unterberger). Die hat offenkundig etwas mit Murots Vergangenheit zu tun. Und so muss er seinem früheren Ich nachspüren, das sich wohl nicht immer mustergültig verhalten hat.
"Tatort" am Sonntag: Welchen Fehltritt hat sich Murot früher wohl zuschulden kommen lassen?
In mittlerweile elf Wiesbaden-„Tatorten“ hat der Hessische Rundfunk den Fans schon viel wildes Zeug zugemutet. So gesehen ist die „Karma“- Folge angenehm konventionell, aber dennoch keine herkömmliche Krimiware. Sie lebt von irren Zufällen und der Frage, welchen möglichen Fehltritt sich der noble Herr Kommissar früher wohl hat zuschulden kommen lassen.
Was dem Ganzen einen gewissen Kick verleiht, sind die vielen leicht skurril gezeichneten Figuren wie die unfassbar gouvernantenhaft gedresste Wächter, der musikliebende traurige Killer, Bernd der Bauchredner, der Überwachungsgeräte verkauft, ein verwahrloster Finanzfahnder mit Pelzmützenfimmel oder der immer großartige Jan Georg Schütte als abgehalfterter Hippie-Musiker („Ich hab’ mal als Vorgruppe von Drafi Deutscher gespielt“). Und das Schöne ist: Nicht jedes Geheimnis wird am Ende aufgelöst.