Die Sendung "Chez Krömer" ist so was wie der Folterkeller der deutschen Fernsehlandschaft, die sadistischste Talkshow im TV. Der Comedian Kurt Krömer bittet seine Gäste nicht in ein bequemes Fernsehstudio, sondern in eine graue, detailverliebt eingerichtete Verhörkammer. Und so verläuft auch das – nennen wir es – "Interview". Krömer wechselt sprunghaft die Themen, berlinert seinen Gästen dreist ins Gesicht, duldet keine Widerrede ("Die Fragen stell' ikke, Herr Reichelt.").
Besonders stark ist die Sendung dann, wenn Krömer seinen Gast sichtlich geringschätzt. So beispielsweise in der vergangenen Woche, als der österreichische Ex-Vizekanzler und gelegentliche Ibiza-Urlauber Heinz-Christian Strache zu Gast war. Krömer beschimpfte ihn als "lupenreinen Nazi ohne Hakenkreuz" und ordnete Strache im Parteienspektrum dem "linken Flügel der NSDAP" zu. Seine Interview-Führung ist teils so dreist, dass man sich als Zuschauerin oder Zuschauer fragt: Wie masochistisch muss man drauf sein, um in diese Sendung zu gehen? Julian Reichelt zeigt: Vielleicht gar nicht so sehr.
Julian Reichelt bei "Chez Krömer": Schuld sind immer die anderen
Der Ex-Bild-Chefredakteur war zu Gast in der aktuellen Folge von Krömers Sendung, die am Montag im RBB lief. Und brachte durch seine zahlreichen Skandale ausreichend Munition, die Krömer gegen ihn richten konnte: Reichelts mutmaßliche Affären mit Mitarbeiterinnen ("Mit vielen Frauen aus dem Axel-Springer-Konzern hatten sie ja was ..."), Machtmissbrauch ("Ich finde dit abstoßend") oder sein vermeintlicher Kokain-Konsum (Krömer: "Nehmen Sie Drogen?" Reichelt: "Nein!" Krömer: "Koks?"). Aber hier liegt zugleich das Problem der Sendung. Und der Grund, warum sich doch einige prominente Gäste einen Besuch antun: Der Gast weiß, was ihn erwartet. Vor allem ein Medien-Profi wie Reichelt. Es sind Skandale, zu denen er schon häufig Stellung beziehen musste. Entsprechend leicht fällt es ihm, darauf zu antworten. Besonders gehaltvoll sind die Antworten zwar nicht. Aber immerhin: Er hat auf alles eine Antwort. Und das genügt, um halbwegs skandalfrei durch die Sendung zu kommen. Daran ändert auch Krömers dreiste Art wenig.
So haben aus Reichelts Sicht natürlich immer die anderen Schuld: andere Medienhäuser mit ihrer "verleumderischen, abstoßenden Berichterstattung". Oder sein ehemaliger Vorgesetzter, Springer-Chef Matthias Döpfner. Die mutmaßlichen Affären mit Mitarbeiterinnen bezeichnet Reichelt als Lüge, genauso wie die Vorwürfe zu seinem Kokain-Konsum. Wo das Leugnen ihn nicht weiterbringt, gesteht er Fehler ein – so beispielsweise, als die Bild private Chatprotokolle eines Kindes publizierte, dessen Geschwister gerade getötet wurden. Und an manchen Stellen holt er einfach zum Gegenangriff aus und wettert gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das sind Antworten, die Reichelt nicht unbedingt sympathisch dastehen lassen. Aber er blockt damit Krömers Fragen ab. Und die Zuschauerinnen und Zuschauer lernen wenig Neues über die 30 Minuten, in denen sie den beiden zuhören.
Aber vielleicht müssen sie das auch gar nicht. Fans der Sendung schalten ein, um zu sehen, wie Krömer seine Gäste anblafft. Ob sie sich dabei gut schlagen wie Reichelt oder ungeschickt wie Strache – egal! Denn am Ende ist "Chez Krömer" vor allem eins: 30 Minuten gute Unterhaltung.