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Tag der Organspende: So kommt die Niere vom Spender zum Patienten

Tag der Organspende

So kommt die Niere vom Spender zum Patienten

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    Ein Organspendeausweis macht den Willen des Verstorbenen deutlich.
    Ein Organspendeausweis macht den Willen des Verstorbenen deutlich. Foto: Daniel Maurer, dpa

    Leber, Niere, Herz oder Lunge: Es ist eine Warteliste, die über Leben und Tod entscheidet. Rund 9000 Menschen hoffen in Deutschland aktuell auf ein Spenderorgan, 140 davon leben in der Region Augsburg. Für viele von ihnen kommt das rettende Organ allerdings zu spät. Lediglich 932 Spender hatten im vergangenen Jahr ihre Organe zur Verfügung gestellt.

    Eine erschreckend kleine Anzahl an Organspendern, findet Professor Matthias Anthuber, Klinikdirektor für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie in Augsburg. "Im europaweiten Vergleich liegen wir fast am Ende des Feldes", erklärt er. Während in Spanien auf eine Million Einwohner rund 49 gespendete Organe kommen, sind es in Deutschland lediglich knapp 11.

    Noch immer warten viele Patienten zu lang auf eine Transplantation. Im Durchschnitt, so der Professor, würden in Deutschland täglich drei Patientinnen auf der Warteliste versterben. "Es kann für einen Patienten bis zu acht Jahren dauern, um eine geeignete Spenderniere zu finden", sagt Anthuber.

    Organspende: Nieren werden am häufigsten transplantiert

    Die häufigsten Transplantationen, weiß der Klinikdirektor, sind mit Abstand die der Nieren. "In Deutschland werden jährlich rund 2500 Nieren transplantiert." Schwere Nierenerkrankungen, die zum dauerhaften Organversagen führen, sind vergleichsweise häufig. Durch die Dialyse, ein medizinisches Verfahren, welches die Arbeit der Nieren übernimmt, und das Blut von giftigen Stoffen reinigt, gewinnen Patienten oftmals wertvolle Zeit.

    Wichtig ist es, so Anthuber, den Unterschied zwischen einer Lebendspende und einer Spende nach festgestelltem Hirntods zu kennen. Bei einer Lebendspende eröffnet sich die Möglichkeit die Wartezeit auf ein Spenderorgan drastisch zu reduzieren. Bei vielen Patienten mit zunehmend schlechter werdender Nierenfunktion kann dadurch häufig die Dialyse gänzlich vermieden werden. Da ein Mensch im Regelfall zwei funktionsfähige Nieren besitze, könne eine davon aber auch ohne weitreichende gesundheitliche Probleme einem gesunden Spender entfernt werden. Die verbleibende Niere, übernehme die Funktion des gespendeten Organs. Nachhaltige gesundheitliche Schäden durch eine Lebendspende seien vielen Studien zufolge unwahrscheinlich.

    Für die postmortale Spende müsse dagegen der Hirntod festgestellt werden. Die Angst, dass eine solche Diagnose fälschlich gestellt wird, kann der Professor ausräumen: „Nach strengen rechtlichen Voraussetzungen müssen dazu zwei erfahrene Kollegen unabhängig voneinander den Hirntod feststellen, ehe die Freigabe zur Spende erfolgen kann.“ In Deutschland, so Anthuber, ist dieser Prozess sehr streng kontrolliert und wird immer eingehalten.

    Wer ein Organ erhält, entscheidet ein Algorithmus

    Zu welchem Empfänger ein lebenswichtiges Organ anschließend kommt, wird nicht willkürlich festgelegt. Die Zuteilung übernimmt die Stiftung Eurotransplant (ET). Über einen mathematischen Algorithmus entscheide die Stiftung mit Sitz im niederländischen Leiden darüber, wer ein Spenderorgan erhält. Eine wichtige Rolle dabei spielten beispielsweise Daten wie die Blutgruppe, Gewebeverträglichkeit, Wartezeit und auch die Entfernung zum Empfängerkrankenhaus. Die Spenderorgane aus dem Pool von Eurotransplant stammen aus deren Mitgliedsländern. Dazu zählen: Belgien, Kroatien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Ungarn, Slowenien und Deutschland.

    Wird ein passendes Spenderorgan zugeteilt, muss es schnell gehen: "Erfahren wir von einem passenden Spender, wird alles noch einmal überprüft und ein straffer Zeitplan aufgestellt." Je nach Organ hat das Transplantationsteam dafür unterschiedlich viel Zeit. Während bei einer Niere generell etwas mehr Zeit zur Verfügung steht, sind andere Organe sensibler. "Bei der Nierentransplantation sollten nicht mehr als 20 Stunden von der Entnahme der Niere bis zum Wiederanschluss am Blutkreislauf des Empfängers vergehen", sagt der Professor. Bei einem Herz oder einer Lunge bleibt deutlich weniger Zeit: nur vier Stunden. Zwölf Stunden bleiben bei einer Lebertransplantation.

    Professor Matthias Anthuber, Klinikdirektor für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie in Augsburg.
    Professor Matthias Anthuber, Klinikdirektor für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie in Augsburg. Foto: Anthuber

    Der Zeitdruck ist immens. Bis in das kleinste Detail muss alles geplant sein. Besonders dann, wenn ein Organ aus einem anderen ET-Land nach Augsburg kommt. Von Kroatien, erklärt Anthuber, geschehe der Transport meist per Linienflug bis München. Danach gehe es mit dem Auto weiter. "Damit das Spenderorgan den Transportmarathon unbeschadet übersteht, wird es in einer Konservierungslösung bei vier Grad Celsius in einer Thermo-Eisbox gelagert."

    Vor Ort angekommen, wird bei einer Nierentransplantation ein zusätzlicher Schritt notwendig, bevor es in den Operationssaal geht: Ein sogenannter Cross-Match-Test gibt Aufschluss darüber, ob im Blut des Empfängers bereits vorhandene Antikörper gegen das Spenderorgan vorhanden sind. Gebe es diese, sei eine Abstoßung mit kurzfristigem Verlust des Transplantates die Folge.

    Für die bereits vorhandenen Antikörper könne es verschiedene Gründe geben, weiß Anthuber: "Eine Schwangerschaft oder eine Bluttransfusion könnten verantwortlich sein." Rund jede fünfte Niere könne deshalb nicht wie geplant auf den ausgewählten Empfänger transplantiert werden. Finden sich die Antikörper, gehe die Info schnellstmöglich an Eurotransplant, sodass ein neuer Empfänger in einem meist anderen Krankenhaus ermittelt werden kann.

    Zurück ins Leben: Wie es für Patienten nach einer Organspende weitergeht

    Bei Leber, Herz und Lunge ist ein solcher Test dagegen nicht notwendig. Alle potentiellen Organempfänger müssen sich allerdings bevor sie auf die Warteliste gesetzt werden umfangreichen Untersuchungen unterziehen, um chronische Infektions- und auch Tumorerkrankungen auszuschließen. Der Klinikchef erklärt: "Gesetzlich ist es vorgeschrieben, dass eine Transplantation nur dann durchzuführen ist, wenn hohe Erfolgsaussichten bestehen."

    Je nach Organ variiert auch die Komplexität des Eingriffs. Nieren- und Herztransplantationen sind dabei technisch in zwei bis vier Stunden zu meistern. Bei einer Leber könne der Eingriff dagegen schon einmal bis zu zehn Stunden dauern.

    Innerhalb der ersten zwei bis drei Wochen würden sich die Patienten nach einer Transplantationsoperation meist so gut erholen, dass sie anschließend eine spezielle dreiwöchige Reha besuchen könnten. Nach diesem Schritt, so ist es der Wunsch von Anthuber und seinen Kollegen, sollten die meisten Empfänger wieder weitestgehend gesund in ihr altes Leben zurückkehren können. Auf Lebenszeit benötigen die Patienten jedoch unverzichtbare Medikamente, um eine Abstoßung des Organs zu verhindern.

    Dass das Thema Organspende in Deutschland im letzten Jahr aufgrund der Diskussion über eine mögliche Widerspruchslösung neue Aufmerksamkeit erhalten hat, freut den Mediziner. Da bereits 21 EU-Länder eine solche gesetzliche Regelung eingeführt haben, hätte sich Anthuber das auch für Deutschland gewünscht: "Noch ist es so, dass wir hierzulande von der Spendenbereitschaft unserer Nachbarländer, die ebenfalls bei Eurotransplant Mitglieder sind, profitieren."  Im Sinne der Solidarität sei es jedoch sinnvoll, wenn alle Mitgliedsländer dieselben gesetzlichen Regelungen hätten.

    Das Interesse der Menschen wünscht sich Anthuber auch durch den in diesem Jahr virtuell stattfindenden Organspendelauf der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie (DGCH). "Die Möglichkeit, die Veranstaltung wie im vergangenen Jahr im Englischen Garten in München dieses Jahr in Berlin durchzuführen, war aufgrund der Corona-Pandemie nicht möglich", sagt der Mediziner. Stattfinden tut sie aber dennoch: Teilnehmer können noch bis zum 6. Juni ihre Laufstrecke frei auswählen und anschließend ein Bild unter #Run4Lives posten.  Neben dem gesamten Team des FCA erhält die Aktion auch Unterstützung von zahlreichen anderen Prominenten.

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