Seit ein paar Tagen gibt es in Frankreich einen neuen Twitter-Trend: Unter dem Hashtag #OnVeutLesNoms – Wir wollen Namen – posten Mitglieder des sozialen Netzwerks verärgerte Reaktionen auf die Nachricht, dass Minister an illegalen Luxus-Abendessen in versteckten Pariser Restaurants teilgenommen haben sollen. Dort trage man weder Masken noch würden Abstandsregeln eingehalten, hieß es.
„Raten Sie mit, wer bei Pierre-Jean gegessen hat“, postete etwa ein Benutzer über einem Foto eines Brettspiels, auf dem die Köpfe verschiedener Minister zu sehen sind. Der Geschäftsmann Pierre-Jean Chalençon wurde zuvor als vermeintlicher Organisator solcher Dinner identifiziert. Wieder andere spekulierten, ob es sich um Wirtschaftsminister Bruno Le Maire oder Justizminister Eric Dupont-Moretti handeln könnte, nachdem ein Kellner, der sich „Bruno“ nennt, in einem Fernsehinterview mit Maske, dunkler Sonnenbrille und Baseballkappe erzählt hatte, ein Minister „mit grauen Haaren“ habe an einem Abendessen am 1. April teilgenommen. Die Regierung streitet ab, dass Minister bei solchen Treffen anwesend waren.
"Sobald Sie unsere Türschwelle überschreiten, gibt es kein Covid mehr"
„Sobald Sie unsere Türschwelle überschreiten, gibt es kein Covid mehr“, sagte ein Kellner mit gepixeltem Gesicht in dem Video des Senders M 6, während er die Journalisten mit versteckter Kamera in ein Apartment ließ, und fügte hinzu, dass weder das Personal noch die Gäste Masken trügen – schließlich solle man sich wie zu Hause fühlen.
Die Reportage, die der Privatsender am 2. April ausstrahlte, zeigte mehrere Orte, an denen Besucher aus verschiedenen Menüs auswählen konnten – zu Preisen von bis zu 490 Euro. Einer dieser Orte soll das Palais Vivienne im Zentrum von Paris gewesen sein, das dem Geschäftsmann Chalençon gehört.
Die französische Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung eingeleitet
In dem Video liefen mehrere Personen durch die herrschaftlichen Räume des Palasts aus dem 19. Jahrhundert, manche gaben sich die „Bises“ – Küsschen links, Küsschen rechts – zur Begrüßung. Dann hörte man die Stimme des Organisators, der später als Chalençon identifiziert wurde: „Ich habe diese Woche zwei- oder dreimal mit Ministern in sogenannten illegalen Restaurants zu Abend gegessen, das bringt mich zum Lachen. Wir leben in einer Demokratie – da kann man machen, was man will.“
Diese Definition der Demokratie scheinen jedoch nicht alle zu teilen. Die Staatsanwaltschaft hat inzwischen eine Untersuchung wegen Gefährdung des Lebens anderer und Schwarzarbeit eingeleitet. Teilnehmer der Abendessen könnten Strafen in Höhe von 135 Euro für das Nichttragen von Masken und die Nichteinhaltung der noch immer ab 19 Uhr geltenden Ausgangssperre zahlen müssen. Den Organisatoren droht ein Jahr Gefängnis und ein Bußgeld von 15000 Euro.
"Der Präsident der Reichen schützt immer die Seinigen"
Chalençon hat sich inzwischen verteidigt, das Ganze sei „der größte Aprilscherz der vergangenen zehn bis 15 Jahre“ – ein vermeintliches Dinner am 1. April sei ein Testlauf für spätere Events zum Thema Napoléon I. gewesen, der am 5. Mai vor 200 Jahren starb. Marlène Schiappa, Staatssekretärin für bürgerliches Engagement, behauptete in einem Interview, Regierungssprecher Gabriel Attal sei zwar zu einem solchen Dinner eingeladen worden, habe diese Einladung jedoch „charakterfest“ abgelehnt. Gleichzeitig gab selbiger Attal an, er glaube „nicht eine Sekunde“ daran, dass ein Minister an solchen Dinners teilgenommen habe. Außerdem, so Mitarbeiter des Sprechers, kenne Attal Chalençon gar nicht.
Dass sich angesichts solcher eher widersprüchlicher Aussagen der Aufruhr zunächst einmal nicht legen wird, scheint wahrscheinlich. „Bananenrepublik“, kommentierte ein Twitter-Benutzer und fügte hinzu: „Der Präsident der Reichen schützt immer die Seinigen.“ Ein anderer nimmt es wenigstens mit Humor und veröffentlichte einen Cartoon: „Glaubst du an diese illegalen Dinners der Minister für über 400 Euro?“, fragt darauf eine Person. „Bist du verrückt?“ antwortet ein anderer. „Oder hast du schon mal einen Minister für sein Essen zahlen sehen?“
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