Wem gehört der Strand? Diese Frage scheint banal, ist aber in Italien zu einem regelrechten Politikum geworden. Knapp 30 Millionen Italienerinnen und Italiener machten dieses Jahr Urlaub am Strand, dazu kommen unzählige Touristen aus dem Ausland, nicht zuletzt aus Deutschland. Die meisten Badeurlauber mieten sich in den stabilimenti balneari, den Strandbädern, Liege und Sonnenstuhl. Manche, vor allem Jüngere, ziehen die spiaggia libera vor, den frei benutzbaren Strand, auch weil sie sich die hohen Preise der Strandbäder nicht leisten können. Um diese beiden Arten, Badeurlaub zu machen, war zuletzt ein Kulturkampf entbrannt, den nun die italienische Regierung und die EU-Kommission in mühsamen Verhandlungen beigelegt haben.
Am Mittwoch verabschiedete die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ein lange erwartetes Dekret zur Regelung der Lizenzvergabe an Strandbäder. Eigentlich war das seit 2006 notwendig geworden, damals hatte die EU die sogenannte Bolkestein-Richtlinie zur Förderung der Konkurrenz auf dem Kontinent verabschiedet. Weil seither alle italienischen Regierungen Konflikte mit den Strandbad-Betreibern vermieden und die von Generation zu Generation weitervererbten Konzessionen verlängerten, leitete die EU-Kommission im Jahr 2020 ein Strafverfahren ein, das demnächst eingestellt werden könnte. Auch die italienische Verwaltungsjustiz erklärte die Lizenz-Verlängerungen für rechtswidrig.
Laut den neuen Regelungen werden die Strandbad-Lizenzen noch einmal bis maximal September 2027 verlängert
Nun hat die Regierung Meloni die Hausaufgaben gemacht, die Politiker-Generationen vor ihr verweigerten. Doch zufrieden wirkt im Moment nur die EU-Kommission, die das Dekret und den „konstruktiven Austausch“ sowie das „gemeinsame Verständnis“ lobte.
Laut den neuen Regelungen werden die Lizenzen noch einmal bis maximal September 2027 verlängert, in begründeten Ausnahmefällen sogar bis März 2028. Die Neu-Ausschreibungen werden also noch einmal um drei Jahre aufgeschoben. Zuständig für die Ausschreibungen sind die Gemeinden, auf deren Gebiet der betreffende Strand liegt. Die Lizenzen werden fortan eine Dauer zwischen fünf und 20 Jahren haben, je nach Investitionen des neuen Betreibers. Die Höhe der in der Vergangenheit teilweise lächerlichen Gebühren (Mindestgebühr ab 3400 Euro jährlich) wurde bislang nicht neu bestimmt. Pro Jahr verdiente der italienische Staat bislang rund 115 Millionen Euro mit den Lizenzen, künftig soll es mindestens doppelt so viel sein. Dem steht laut Finanzministerium ein Gesamtumsatz der Strandanlagen-Betreiber von knapp 32 Milliarden Euro gegenüber.
Die Frage, die die Strandbad-Betreiber vor allem interessierte, ist die der Entschädigungen für getätigte Investitionen oder auch für immaterielle Werte wie den Namen eines bekannten Strandbads. Die Regierung legte fest, dass es keine staatlichen Entschädigungen geben wird. Die neuen Lizenznehmer müssen für die bereits vom Vor-Lizenznehmer getätigten Investitionen aufkommen. Ein Vorkaufsrecht für scheidende Konzessionsnehmer gibt es nicht. Die berufliche Erfahrung eines Bieters und die Tatsache, in den letzten fünf Jahren bereits eine Lizenz besessen zu haben, soll aber bei der Lizenzvergabe berücksichtigt werden. „Wir sind davon ausgegangen, dass die Verlängerungen nicht mehr möglich seien und haben uns konkretere Unterstützung von der Regierung erhofft“, sagte Strandbad-Betreiberin Laura Castello aus Genua. Auch Umweltorganisationen kritisierten den Kompromiss. So hofft der Verein Mare Libero (freies Meer), dass der Staatspräsident das Dekret, das innerhalb von zwei Monaten vom Parlament bestätigt werden muss, nicht unterschreiben wird.
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