Grelle Schlagzeilen gehören zum Geschäft des Springer-Konzerns. Doch die Nachrichten, die sich über den Verlag von Bild und Welt derzeit in den USA verbreiten, dürften in der Berliner Zentrale für wenig Freude sorgen. Gerade erst wurde bekannt, dass eine Ex-Bild-Mitarbeiterin das Unternehmen vor einem Gericht in Los Angeles wegen Diskriminierung und Beihilfe zur Belästigung verklagt (verhandelt wird ab Dezember), da berichtet die Washington Post über eine E-Mail von Vorstandschef Mathias Döpfner – in der dieser zum Gebet für den pressefeindlichen Ex-Präsidenten Donald Trump aufrief. Zweieinhalb Seiten mit tief recherchierten Details widmete ihm das renommierte Blatt am Mittwoch. Die politische Brisanz steckte schon im dritten Absatz des Porträts.
Döpfner: Trump habe sich um die „Verteidigung der freien Demokratien gegen die Diktaturen in China und Russland“ verdient gemacht
„Wollen wir alle am 3. November morgens eine Stunde in uns gehen und beten, dass Donald Trump wieder Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird?“, soll Döpfner im Herbst 2020 ausweislich eines Screenshots der E-Mail vorgeschlagen haben. Als Grund führte der mächtige Medienmann an, Trump habe sich um die „Verteidigung der freien Demokratien gegen die Diktaturen in China und Russland“, die Stärkung der Nato und die Stabilisierung der US-Wirtschaft verdient gemacht: „Mehr hat keine amerikanische Regierung der letzten 50 Jahre geschafft.“ Diese E-Mail soll an Döpfners engsten Mitarbeiterkreis gegangen sein.
Auch weil Trump für das linksliberale Amerika ein rotes Tuch ist, fallen die Reaktionen überaus negativ aus. Döpfner habe zum „Gebet für Trumps Wiederwahl“ aufgerufen, titelte die Webseite des Rolling Stone. „Gott Allmächtiger!“, schrieb die digitale Boulevardseite Daily Beast.
Auf Twitter verbreitete sich die Geschichte samt böser Kommentare – und mit dem Detail, dass Döpfner auf Nachfragen der Washington Post die Existenz der E-Mail zunächst geleugnet haben soll. Später habe er erklärt, das Statement sei „ironisch und provokativ“ gemeint gewesen.
Warum die Äußerungen Döpfners in den USA auf derart große Beachtung stoßen
Führende Demokraten überzeugt das nicht. „Lügen machen nie einen guten Eindruck für den Boss eines Medien-Unternehmens“, ätzte Ted Lieu, prominenter Kongressabgeordneter aus Kalifornien.
Dass die Äußerungen eines deutschen Verlegers in den USA eine derartige Beachtung finden, liegt daran: Seit Sommer 2019 ist die US-Beteiligungsgesellschaft KKR größter Einzelaktionär bei Springer. Zudem hat der deutsche Medienkonzern im Herbst 2021 bei der größten Akquise seiner Geschichte die US-Mediengruppe Politico übernommen, die mit 700 Beschäftigten und mehreren Newslettern einen starken Auftritt in der amerikanischen Politikberichterstattung hat.
Damit sind Springers Ambitionen aber nicht erschöpft. „Wir wollen der führende digitale Verleger in den Demokratien rund um den Globus werden“, zitierte die Washington Post Döpfner nun. Umso problematischer sind die jüngsten Skandale.
Für Aufsehen in den USA hatte bereits die New York Times im Oktober 2021 mit einem Sittengemälde über „Sex, Lügen und geheime Zahlungen“ in dem Konzern gesorgt. Anlass war die MeToo-Affäre des damaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt, dem Machtmissbrauch und sexuelle Beziehungen zu Untergebenen vorgeworfen worden waren. „Ein hochfliegender deutscher Mediengigant“ scheine „in der Vergangenheit festzustecken, wenn es um Arbeitsplatz und Geschäftsgebaren geht“, urteilte der angesehene Medienredakteur Ben Smith.
Döpfner hatte schon einmal mit einer Nachricht für große Verstimmung gesorgt
Dass Döpfner laut einer von der New York Times zitierten privaten Textnachricht Reichelt als „den letzten und einzigen Journalisten in Deutschland“ lobte, der „noch mutig gegen den DDR-Obrigkeitsstaat aufbegehrt“, sorgte wiederum in Deutschland für Wirbel. Zumal Döpfner sämtliche anderen Journalistinnen und Journalisten „Propaganda-Assistenten“ nannte. Auch damals wollte Döpfner das ironisch gemeint haben.
In der Folge musste Reichelt jedenfalls Springer verlassen. Döpfner kündigte Ende Mai dieses Jahres an, sein Amt als Präsident des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger „ab Herbst in geordneter Weise in neue Hände“ übergeben zu wollen – nachdem es verbandsintern Kritik an seinen Aussagen gegeben hatte, seine Entschuldigungsbitte von den Verlegerinnen und Verlegern aber akzeptiert worden war.