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Spanien: Wie der Tourismus das Dörfchen Es Jonquet auf Mallorca verändert

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Wie der Tourismus das Dörfchen Es Jonquet auf Mallorca verändert

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    Die Stände für frischen Fisch werden weniger auf dem Markt des Viertels Santa Catalina.
    Die Stände für frischen Fisch werden weniger auf dem Markt des Viertels Santa Catalina. Foto: Clara Margais

    Früher war die Welt in Es Jonquet noch in Ordnung. In der alten Siedlung oberhalb des Hafens von Palma de Mallorca wohnten viele Fischer, Matrosen und Kaufleute, die vom Seehandel lebten. Windmühlen drehten sich und mahlten Getreide. Die Nachbarn und Nachbarinnen kannten sich, formten eine Gemeinschaft.

    Heute ist von dieser heilen Welt in der Siedlung Es Jonquet, die zu Palmas Stadtviertel Santa Catalina gehört, nicht mehr viel übrig. Das Fischer- und Mühlenviertel hat viel von seinem historischen Charme verloren. Und es ist ein Beispiel dafür, wie Immobilienspekulation, Tourismus und Vergnügungsindustrie die alteingesessene Bevölkerung verdrängen.

    An etlichen Häusern, die oberhalb der alten Stadtmauer Palmas liegen, hängt das Schild „Se vende – Zu verkaufen“. Die Wohnungen sind aus verschiedenen Gründen auf dem Markt: Etwa weil die alten dort lebenden Besitzer gestorben sind. Weil die Eigentümerinnen und Eigentümer mit hohen Mietforderungen die Bewohner vertrieben, um Kasse zu machen. Oder weil Immobilienhaie die Häuser kauften und nun Investoren anbieten.

    Es Jonquet: "Das dörfliche Ambiente mischt sich mit modernem Lebensstil"

    „In Es Jonquet werden heute Mondpreise gezahlt“, erklärt der Stadtteilforscher Albert Herranz in der Inselzeitung Diario de . Herranz hat ein Buch über die Geschichte des Viertels geschrieben. Er bedauert, dass Spekulation und Preiswucher dem historischen Geist den Garaus machen. Die Maklerbranche sieht dies anders. „Der Stadtteil ist das Modeviertel Palmas“, umwirbt eine internationale Immobilienagentur die Kunden. „Hier mischt sich das schlichte, dörfliche Ambiente mit einem modernen Lebensstil.“

    „Genau gegenüber von meinem Haus wurde für viel Geld eine Wohnung verkauft“, berichtet ein Anwohner. Das Apartment sei in eine Ferienwohnung verwandelt worden, die über die Vermietungsplattform Airbnb angeboten werde. So geschah es mit vielen Wohnungen. Auf Airbnb kostet schon ein kleines Urlaubsapartment in Es Jonquet zwischen 1000 und 2000 Euro pro Woche. Auch ein Blick in die Maklerportale zeigt, welcher Wind heute in Es Jonquet weht: Von der Branche werden Objekte mit den Worten „ideale Investition“ und „zur Ferienvermietung geeignet“ angepriesen.

    Manche Wohnungen auf Mallorca wechselten innerhalb kürzesten Zeit den Besitzer

    Ein Beispiel: Vier renovierte Studios, jedes rund 35 Quadratmeter groß, kosten jeweils zwischen 380.000 und 400.000 Euro – plus Steuern und Gebühren. Der Quadratmeterpreis liegt in diesem Fall bei mehr als 10.000 Euro. Aber das ist noch günstig verglichen mit Luxusangeboten im Viertel. So ist derzeit eine Penthouse-Wohnung mit 126 Quadratmetern für 2,5 Millionen Euro auf dem Markt.

    Manche Wohnungen würden innerhalb kurzer Zeit mehrfach den Besitzer wechseln, schreibt der Diario. Vor allem aus einem Grund: „Die Häuser werden aufgekauft, modernisiert und schließlich weiterverkauft.“ Manchmal zum doppelten oder dreifachen Preis der Ausgangsinvestition. Viele Käuferinnen und Käufer seien Ausländer – vor allem wohlhabende Deutsche, Briten und Skandinavier, heißt es weiter. Manche ausländischen Besitzer nutzten das Objekt dann als gelegentlichen Zweitwohnsitz, um ab und zu mal ein Wochenende oder die Ferien auf Mallorca zu verbringen.

    Einwohner hängen auf Mallorca Plakate gegen den Lärm auf

    Doch die Anwohner beschweren sich nicht über zu viel, sondern über zu wenig Ruhe in den Straßen: Das Viertel Es Jonquet und der umliegende Stadtteil Santa Catalina sind zu den beliebtesten Ausgehzonen Palmas geworden, und zwar für Urlaubsgäste wie für Einheimische.

    Mehr als 100 Restaurants und Bars, meist mit Außenterrassen, verdrängten jene kleinen Geschäfte, die früher die Bevölkerung mit dem Nötigsten versorgten. Das Nachtleben pulsiert. Und es sorgt für wachsende Konflikte mit den Bewohnern und Bewohnerinnen.

    An vielen Balkonen, Fenstern und Fassaden prangen deswegen Plakate, mit denen gegen Lärm und unzivilisiertes Verhalten der Gastronomiebesucher protestiert wird. „Ruhe, Respekt, Rücksicht“, steht auf den Schildern. Oder, dramatischer noch: „Wir müssen Es Jonquet retten.“

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