Es ist der bislang größte Prozess gegen die berüchtigte Rockergruppe Hells Angels, der je in Europa stattgefunden hat. 46 Angeklagte, die meisten aus Deutschland und Spanien, müssen sich von Montag an vor dem nationalen Gerichtshof in Madrid verantworten. Dieser Gerichtshof ist für organisierte Kriminalität zuständig. Die berüchtigten "Höllenengel" werden beschuldigt, die Urlaubsinsel Mallorca mit illegalen Aktivitäten unsicher gemacht zu haben. Vor allem mit Drogen- und Prostitutionsgeschäften in der Touristenhochburg im "Ballermann"-Vergnügungsviertel an der Playa de Palma.
Zu den Hauptangeklagten zählt der frühere Hells-Angels-Boss des Chapters Hannover, Frank Hanebuth. Er ist der wohl immer noch bekannteste Rocker Deutschlands, der in seiner Heimatstadt Hannover als Rotlicht-Größe gilt.
Prozess gegen Hells Angels: Hanebuth drohen 13 Jahre Haft
Der heute 58-jährige Hanebuth wird von Spaniens Ermittlern als der Strippenzieher der mutmaßlich illegalen Aktivitäten auf Mallorca angesehen. Ihm werden Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche, Drohungen und illegaler Waffenbesitz vorgeworfen. Den Angeklagten drohen lange Strafen. Allein für Hanebuth, der alle Vorwürfe bestreitet, fordert der Staatsanwalt 13 Jahre Haft. Drei spanische Polizisten, welche die Hells Angels vor Ermittlungen und Durchsuchungen gewarnt haben sollen, müssen mit bis zu sieben Jahren Gefängnis rechnen.
Die spanischen Ermittler jagen den Hells Angels bereits seit 2009 hinterher. Damals wurden die Sicherheitsbehörden darauf aufmerksam, dass immer mehr "Höllenengel" auf Mallorca auftauchten. Jahrelang wurden die Rocker auf der Insel beschattet. Vier Jahre später, am Morgen des 23. Juli 2013, schlugen die Fahnder unter dem Codenamen "Operation Casablanca" zu: 200 Polizisten, darunter auch einige deutsche Beamte, durchsuchten zahlreiche Villen, Wohnungen und Geschäftslokale auf Mallorca.
27 Verdächtige wurden festgenommen. Darunter auch Hanebuth, dessen großzügiges Luxusanwesen im mallorquinischen Dorf Lloret gestürmt wurde. Mehrere Luxuswagen, Motorräder und jede Menge Dokumente und digitale Datenträger wurden beschlagnahmt. Doch die Auswertung der Materialien und die Sicherung von gerichtsverwertbaren Beweisen zog sich jahrelang hin. Auch, weil die Spuren, die auf Drogengeschäfte, Menschenhandel zum Zweck der Prostitution und millionenschwere Geldwäsche hinwiesen, über den ganzen Kontinent führten – nicht nur nach Deutschland, sondern zum Beispiel auch in die Türkei, nach Bulgarien, Luxemburg oder in die Schweiz.
Hanebuth schmorte zwei Jahre in spanischer Untersuchungshaft. Dann kam er gegen Kaution und mit Meldeauflagen frei. "Wir sind Männer, wir müssen da durch", sagte er, als sich die Gefängnistür für ihn öffnete. Auch die meisten anderen Beschuldigten konnten den Beginn des Prozesses, der nun fast zehn Jahre nach dem spektakulären Polizei-Einsatz gegen die Hells Angels startet, in Freiheit abwarten. Es ist in Spanien keine Seltenheit, dass Prozesse erst mit großer Verspätung beginnen. Die Justiz leidet unter Personalmangel und gilt als sehr langsam. Das spielt den Beschuldigten in die Hände. Zum Beispiel, weil sich viele Zeugen nicht mehr erinnern können. Oder die Delikte mittlerweile verjährt sind.
Hanebuth hält sich für unschuldig
Vielleicht geben sich Hanebuth und seine Mitangeklagten auch deswegen so optimistisch, dass sich die meisten Vorwürfe gegen sie nicht aufrechterhalten lassen. "Ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen", erklärte Hanebuth schon vor Prozessbeginn. Er sieht sich und die Hells Angels als Opfer staatlicher Verfolgung: "Das Bild von den Hells Angels, das die Behörden den Menschen glauben machen wollen, ist nun eben mal, dass wir alle Menschen-, Drogen- und Waffenhändler sind, damit wir in der Öffentlichkeit möglichst negativ dastehen", sagte er nach seiner Entlassung aus der U-Haft der Mallorca Zeitung.
Im Ermittlungsbericht liest sich dies anders: Dort ist von "krimineller Multiaktivität" die Rede. Und davon, dass Hanebuth & Co versucht haben sollen, mit illegalen Methoden ins Drogen- und Rotlicht-Geschäft auf Mallorca einzusteigen. Hanebuth sei im mutmaßlichen Tatzeitraum "einer der führenden Chefs der Hells Angels in Europa" gewesen. Weiter heißt es: Die Hells Angels hätten junge Frauen aus Osteuropa mit falschen Versprechungen nach Mallorca gelockt und sie dort zur Prostitution gezwungen. Zeugen sollen ausgesagt haben, dass die Frauen eingesperrt worden seien, wenn sie sich den Anweisungen der Bandenmitglieder widersetzt hätten – und zwar in Hundekäfigen.