Viele Betroffene im Flutgebiet im spanischen Valencia fühlen sich von den Behörden verlassen bei der Suche nach den vielen Vermissten. Beim Beseitigen von Autowracks, Trümmern und Schlamm. Und bei der Versorgung mit Lebensmitteln und Trinkwasser. Die Wut der Bürger bekamen am Sonntagnachmittag auch König Felipe VI., Königin Letizia und Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez zu spüren.
Bei einem Besuch des von der Regenkatastrophe besonders stark betroffenen Ortes Paiporta wurden sie mit den Rufen „Mörder, Mörder!” und „Haut ab!” beschimpft und mit Schlamm sowie Steinen beworfen. Nachdem die Situation eskalierte und es auch Verletzte durch Steinwürfe sowie auch Schlagstockeinsätze der Polizei gab, mussten das Königspaar und die Politiker ihren Besuch abbrechen.
In der Provinz Valencia wurden bisher 210 Todesopfer geborgen
Paiporta ist das Epizentrum der Flut- und Schlammkatastrophe, die am vergangenen Dienstag das Hinterland der spanischen Mittelmeerprovinz Valencia heimsuchte. Nach den Klagen der Bevölkerung über die schleppende Hilfe schickte die Regierung am Wochenende 5000 zusätzliche Soldaten in die Region, um bei den Bergungs- und Aufräumarbeiten zu helfen. Insgesamt sind inzwischen rund 20.000 Soldaten, Polizisten, Feuerwehrleute und Katastrophenschützer im Einsatz. Zudem helfen Tausende von Freiwilligen.
Allein in Paiporta, einer Kleinstadt mit 27.000 Einwohnern, starben mindestens 70 Menschen. In der gesamten Provinz Valencia wurden bisher 210 Todesopfer geborgen. Doch es wird befürchtet, dass die Zahl der Opfer noch sehr viel höher werden könnte. Vor allem, weil in den Tiefgaragen mehrerer Einkaufszentren noch viele Todesopfer vermutet werden.
Eines dieser Einkaufszentren ist die Ladenmeile Bonaire im Westen der Mittelmeerstadt Valencia. Dort ist die Lage gespenstisch: Die Gänge des riesigen Einkaufszentrums sind mit Schlamm und Trümmern bedeckt. Schaufenster und Ladentüren sind zersplittert. Tausende von Verkaufsartikeln aus den Regalen liegen verstreut auf dem Boden. Die Regenflut überschwemmte am Unglückstag das gesamte Shoppingcenter – auch die Tiefgarage. Wurde das unterirdische Parkhaus zum Massengrab?
Die Pumpen der Bergungsmannschaft liefen am Sonntag dort auf Hochtouren. Dicke Schläuche führen über die Zufahrtsrampen in die Tiefe der Großgarage, in der es Tausende Stellplätze gibt. Nachdem das Wasser in das Einkaufszentrum strömte und die Kunden gegen sieben Uhr abends per Lautsprecher aufgefordert wurden, das Gebäude zu verlassen, sollen viele noch versucht haben, ihre Autos zu holen.
In der Region sind neue Regenfälle angekündigt
Rund 650 Einkaufskunden sollen sich im Moment, als die Flut kam, in dem Geschäftszentrum mit Kino, Supermarkt und 200 Ladenlokalen aufgehalten haben. „Es ging alles sehr schnell”, berichtet ein Angestellter. Schon fünf Minuten, nachdem das Wasser in die Gänge geströmt sei, habe das Wasser hüfthoch gestanden.
Über Rolltreppen und Rampen schoss das Wasser zugleich in die Tiefgarage, die möglicherweise für viele zur Falle wurde. Mehrere hundert Kunden und Angestellte konnten sich noch in die oberen Stockwerke der Shoppingmall retten, wo sie die Nacht verbrachten.
Unterdessen setzten in der Unglücksregion neue Regenfälle ein und erschwerten die Rettungsarbeiten. Es könnte zu neuen Überschwemmungen kommen, warnten die Behörden. Der amtliche Wetterdienst löste deswegen im Raum Valencia wieder Unwetteralarm aus.
Immerhin gab es am Wochenende auch eine gute Nachricht: Die Retter entdeckten in der Nähe des Ortes Benetússer in der Masse der vom Wasser mitgerissenen Fahrzeuge eine Überlebende: Eine Frau, die tagelang in ihrem Auto eingeschlossen war. Neben ihr wurde der leblose Körper ihrer Schwägerin gefunden. Die beiden waren zusammen mit dem Wagen losgefahren und auf der Straße von den Fluten überrascht worden.
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