Es ist eine Katastrophe mit Ansage: Spaniens weltberühmter Doñana-Nationalpark, eines der größten Feuchtgebiete Europas, droht auszutrocknen. Vor allem die großen Erdbeerfarmen, auf denen die roten Früchte für Europas Verbraucher wachsen, graben mit ihrem Durst dem Naturparadies in Südspanien, das zum Unesco-Weltkulturerbe gehört, zunehmend das Wasser ab.
Doch statt den Doñana-Park zu schützen und gegen hunderte von Erdbeerbauern vorzugehen, die ohne Erlaubnis das Grundwasser auf ihre Felder pumpen, will die konservative andalusische Regionalregierung nun den illegalen Anbau legalisieren. EU-Kommission, Spaniens sozialdemokratischer Regierungschef Pedro Sánchez und Umweltverbände sprechen von einem Skandal.
Gut 60 Prozent aller Lagunen im Doñana-Nationalpark sollen schon verschwunden sein
„Die Situation ist kritisch“, sagt Eloy Revilla. Der 51-Jährige ist Chef der biologischen Forschungsstation im Nationalpark und der beste Kenner dieses Dramas. Früher sei dies einmal eine Lagune gewesen, sagt er. Ein See, in dessen seichtem Wasser tausende von Flamingos nach Krebsen, Schnecken und Insektenlarven fischten. Heute ist diese Lagune wegen des sinkenden Grundwasserspiegels nur noch eine ausgetrocknete Schlammwüste. Sie ist zum Symbol für das langsame Sterben des Doñana-Parks geworden ist.
Gut 60 Prozent aller Lagunen, die so etwas wie die Herzstücke für das artenreiche Leben im Nationalpark darstellen, seien bereits verschwunden, sagt Revilla. Mit den Lagunen verschwinden viele jener vom Aussterben bedrohten Lebewesen, die in diesem einzigartigen Naturschutzgebiet eines ihrer letzten Rückzugsgebiete hatten.
Auf mehr als 100 Quadratkilometern erstrecken sich im Norden und Westen des Parks riesige Plantagen. Dort wird unter Plastikdächern ein Großteil jener Erdbeeren gezüchtet, die jetzt die Supermärkte in Deutschland, Österreich, der Schweiz oder in Luxemburg überschwemmen. Das Geschäft mit den roten Früchten – vor allem Erdbeeren, aber auch Himbeeren – ist zusammen mit dem Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig in der südspanischen Provinz Huelva.
Jahrzehntelang wuchs die Zahl der Erdbeerfarmen im Einzugsgebiet des Doñana-Parks. Warum? Weil der Hunger der Europäer auf Erdbeeren immer größer wurde. Und weil die spanischen Früchte in der Regel billiger sind als jene Beeren, die in den nord- und zentraleuropäischen Ländern angebaut werden. Die örtlichen Politiker aller Parteien, die vom roten Boom in ihren Territorien profitierten, sahen großzügig über den massiven Wasserdiebstahl hinweg.
Der Wassermangel lässt auch immer mehr Erdbeerfelder austrocknen
Doch spätestens seit der Europäische Gerichtshof im Jahr 2021 Spanien wegen des Raubbaus und wegen mangelnder Schutzmaßnahmen für Doñana verurteilte und mit millionenschweren Geldstrafen drohte, hat sich der Druck erhöht. Auch der Klimawandel, der dafür sorgt, dass in der Region immer weniger Niederschläge fallen, hat zu einem Bewusstseinswandel beigetragen.
Mehr als 20 europäische Handelsketten, darunter viele der großen Supermarktbetreiber im deutschsprachigen Raum, schlossen sich einem Aufruf des Naturschutzverbandes WWF an. Darin wird an Politiker wie an Landwirte appelliert, die Nachhaltigkeit des Anbaus zu garantieren, um den Ruf und die Entwicklung dieses wichtigsten europäischen Erdbeergartens nicht zu gefährden.
Der Wassermangel lässt inzwischen nicht nur den Nationalpark austrocknen, sondern zugleich immer mehr Erdbeerfelder. Dieses Jahr werde die Ernte wohl um 30 Prozent geringer ausfallen als im Vorjahr, teilte der regionale Bauernverband Freshuelva mit. Der Wassernotstand führt dazu, dass sogar die ehrlichen Erdbeerbauern immer mehr Felder mangels ausreichender Beregnung stilllegen müssen.