Startseite
Icon Pfeil nach unten
Panorama
Icon Pfeil nach unten

Spanien: Bankensterben auf Mallorca: Bargeld gibt es nicht mehr überall

Spanien

Bankensterben auf Mallorca: Bargeld gibt es nicht mehr überall

    • |
    Bank in Palma: Auf Mallorca und den Nachbarinseln gibt es rund 400 Filialen. Vor wenigen Jahren war die Zahl mehr als doppelt so hoch.
    Bank in Palma: Auf Mallorca und den Nachbarinseln gibt es rund 400 Filialen. Vor wenigen Jahren war die Zahl mehr als doppelt so hoch. Foto: Patrick Seeger, dpa (Symbolbild)

    Lluís Apesteguia hat die Nase voll: Es sei eine Schande, dass es in seinem Dorf keine Bankfiliale mehr gebe. Apesteguia ist der Bürgermeister des bekannten mallorquinischen Künstlerortes Deià – ein beliebtes Ausflugsziel im Tramuntana-Gebirge, das jedes Jahr von ungezählten Mallorca-Touristen besucht wird. Doch auch das konnte nicht verhindern, dass die letzte Bankfiliale und mit ihr der letzte Geldautomat aus dem malerischen Ort verschwand.

    Bürgermeister Apesteguia forderte die Bürgerinnen und Bürger bereits auf, sich dies nicht gefallen zu lassen. In einem offenen Brief, den er an die Einwohner schickte, warf er den Banken „unzulässige Praktiken“ vor. Während der großen Bankenkrise vor über einem Jahrzehnt seien die Geldinstitute mit Steuergeldern gerettet worden. Und nun würden sie trotzdem die Zahl der Angestellten verringern, Filialen schließen und für jede Dienstleistung Gebühren erheben.

    Hunderttausende Touristen pro Jahr – aber kein Zugriff auf Bargeld in Deià

    In Deià sind knapp 700 Einwohner registriert. Hinzu kommen ausländische Teilzeit-Residenten, die nicht offiziell gemeldet sind. Der Ort hat mehr als 1000 Touristenbetten und jedes Jahr besuchen ihn hunderttausende Tagesbesucherinnen und -besucher. An Bargeld kommen sie alle nicht mehr. Geschäftsleute und Hoteliers des Ortes, der praktisch ausschließlich vom Tourismus lebt, ärgern sich ebenfalls. Sie können ihre Bareinnahmen nicht mehr direkt in Deià auf ihre Konten einzahlen.

    „Die Filialschließung schädigt Unternehmen und Privatpersonen“, fasst die Situation Bürgermeister Apesteguia von der ökosozialistischen Inselpartei Més per Mallorca (Mehr für Mallorca) zusammen. Er spricht von den Auswüchsen des Kapitalismus: „Dieser handelt nicht im Interesse der Menschen, sondern im Interesse einer Minderheit, die immer mehr Geld anhäuft – ohne die Bedürfnisse der normalen Leute und der kleinen Gemeinden zu berücksichtigen.“

    Bewohner und Urlauber in Deià, die Bargeldgeschäfte oder andere Bankdienstleistungen am Schalter erledigen wollen, müssen also in die größeren Nachbarorte Sóller oder Valldemossa fahren. Beide sind rund elf Kilometer entfernt und bloß über eine kurvenreiche Bergstraße zu erreichen. Das sei besonders für ältere Bürger, die zum Beispiel ihre monatliche Rente abheben wollten, ein großes Problem, heißt es im Rathaus. Erst recht, wenn sie kein Auto hätten und auf den Bus angewiesen seien. Der, das ist das nächste Problem, verkehrt zwischen Deià und Sóller lediglich alle ein bis zwei Stunden.

    In vielen anderen Inseldörfern auf Mallorca wurden ebenfalls Bankfilialen geschlossen

    Deià ist kein Einzelfall in Spanien. Und schon gar nicht auf der spanischen Mittelmeerinsel Mallorca. In vielen anderen Inseldörfern wurden Bankfilialen geschlossen. Lluís Apesteguia wirbt dafür, sich zusammenzuschließen, um gemeinsam dagegen zu protestieren. Er will Druck ausüben. Inzwischen wird auch die Gründung eines öffentlichen Geldinstituts, das die Dörfer versorgt, nicht mehr ausgeschlossen.

    Nach der Statistik der spanischen Zentralbank hat sich in den vergangenen zehn Jahren im ganzen Land die Zahl der Bankenbüros halbiert. Auf Mallorca und den balearischen Nachbarinseln Ibiza, Menorca und Formentera geht das Bankensterben sogar noch schneller vor sich: 2015 gab es den Angaben zufolge annähernd 900 Filialen auf ihnen. Heute sind es etwas mehr als 400. Dabei haben nicht nur Bankenfusionen, Online-Banking und geringere Gewinnmargen in Zeiten niedriger Zinsen die Schließungswelle vorangetrieben. Auch die Corona-Pandemie hat einen Anteil an ihr – als Beschleuniger für die Digitalisierung der Bankgeschäfte.

    Anfang des Jahres stieß ein Rentner eine vielbeachtete Kampagne an

    Die Kritik an der Entwicklung ist groß und nicht wirkungslos. Vor allem eine Kampagne, die der 78 Jahre alte spanische Rentner Carlos San Juan Anfang 2022 ankurbelte, fand ein Riesenecho. Mehr als 650.000 Menschen unterschrieben seinen Aufruf „Ich bin alt, aber kein Idiot“. Senioren, sagt er, hätten unter dem Filialsterben besonders zu leiden. Spaniens Bankenverband reagierte auf die Kampagne mit dem Versprechen, den Älteren wieder mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

    Die Abwicklung weiterer Filialen wird dies zwar nicht aufhalten können. Aber immerhin wurden seitdem Schalterzeiten verlängert, spezielle Online-Berater für Senioren geschult und auf vielen Bank-Apps ein vereinfachtes Bedien-Menü eingerichtet. Bürgermeister Apesteguia stellt das nicht zufrieden.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden