Eine junge Frau steht im Wohnzimmer vor bodenlangen Vorhängen und blickt in die Kamera. Sie trägt grüne Leggings in Ripp-Optik mit dazu passendem BH. Die Kleidung schmiegt sich an ihren perfekten Körper - flacher Bauch, schmale Taille und trotzdem genug Hüfte. Stutzig macht der Hashtag unter dem Instagram-Post: #bodypositivity. Das Stichwort steht für ein positives Körperbild und wird von immer mehr Leute auf den sozialen Medien verwendet. Meist sind es Frauen, die etwas mehr Kilos auf den Rippen haben, als es das gängige Schönheitsideal vorschreibt. Sie wollen damit ein Zeichen gegen Diskriminierung setzen und dafür werben, dass jeder Körper schön ist - auch der, der nicht dem Ideal entspricht.
Auch Männer leiden unter Schönheitsdruck
Wer unter dem Hashtag nach weiteren Inhalten sucht, dem fällt auf, dass fast nur Bilder von Frauen ausgespielt werden. Männer sind kaum vertreten. Ist Body Positivity nur was für das weibliche Geschlecht? Oder brauchen Männer das auch? "Der Schönheitswahn macht bei Frauen nicht halt", sagt Stefan Rosenberger aus Töging am Inn (Kreis Altötting). Der 32-jährige Heilerziehungspfleger ist einer der verhältnismäßig wenigen Männer, die Inhalte zu Body Positivity posten. Auch bei Männern gebe es den Druck, einem gewissen Ideal zu entsprechen, einen Sixpack zu haben und eine Körperform, die einem V ähnle – mit breiten, "maskulinen" Schultern. Doch nicht jeder Männerkörper ist so geformt.
Rosenberger entspricht diesem Ideal nicht und das zeigt er auf seinem Profil auch. Dabei möchte er seine Einstellung zur Body Positivity gar nicht "überbetonen". Er veröffentlicht Fotos aus seinem Alltag: mit Freunden, beim Essen und Trinken, im Urlaub, beim Baden und auf dem Oktoberfest. "Ich bin ja kein Influencer oder Aktivist. Ich bin einfach ich", sagt Rosenberger. Dies sei sein privates Profil, das lediglich öffentlich zugänglich sei und über das er unter anderem seine Einstellung zu Body Positivity sichtbar mache.
So postet er manchmal ein Bild mit freiem Oberkörper. Zu sehen ist dann kein durchtrainierter Mann, sondern ein Mann mit etwas mehr Kilos auf den Hüften und Haaren auf der Brust. Body Positivity eben. "Ich bin zufrieden mit mir", sagt der 32-Jährige.
Body Positivity wurde über soziale Medien ein internationales Phänomen
Rosenberger erzählt, er sei 2014 oder 2015 auf die Bewegung gestoßen. Genau weiß er es nicht mehr. "Am Anfang war mir gar nicht so bewusst, dass das hauptsächlich Frauen waren." Er finde es gut, wenn Menschen mit sich und ihrem Körper im Reinen sind, und konnte sich damit identifizieren.
Die Body Positivity Bewegung hat ihren Ursprung in den USA der 60er Jahre, als sich vor allem Frauen gegen Diskriminierung von übergewichtigen Menschen einsetzten. Die Bewegung wurde damals als "fat acceptance movement" oder "fat pride" bekannt. Frei übersetzt bedeutet das in etwa Bewegung für mehr Toleranz von Fettleibigkeit. Mit den sozialen Medien, allen voran Instagram, entwickelte sich daraus in den vergangenen Jahren ein internationales Phänomen.
Viele Männer posten zu dem Hashtag aus dem Fitness-Studio
Dabei fällt auf: Bei den Männern finden sich unter dem Stichwort auf Instagram auffallend viele Fitness-Liebhaber – mit entsprechend gestählten Körpern, meist direkt in Aktion an den Geräten. In den Beschreibungen motivieren sie andere User dazu, ebenfalls Sport zu treiben. Wie die leicht bekleidete Wohnzimmer-Frau kommen diese Männer dem vermeintlichen Schönheitsideal relativ nah. Warum posten sie zur Body Positivity? "Ob der Hashtag da so richtig benutzt wird, kann ich nicht sagen", meint Rosenberger. Jeder sei für seine Inhalte selbst verantwortlich. Er fände es aber schön, wenn das ganze Spektrum an Körperformen abgebildet werde. Da dürfe es dann auch ruhig mehr füllige Männer geben.
Anfeindungen hat er auf seinem eigenen Profil bisher keine erhalten. Allerdings habe es negative Kommentare auf eine Berichterstattung gegeben, mit der er in der Öffentlichkeit stand. "An manchen Tagen gleitet das an mir ab wie an Teflon. An anderen Tagen hinterlässt es schon Spuren", sagt Rosenberger.
So reagiert Rosenberger auf Kritik an Body Positivity
Kritiker bemängeln an der Bewegung, dass die gesundheitlichen Risiken von Fettleibigkeit schöngeredet würden. "Ich rufe niemanden dazu auf, dick zu werden", sagt Rosenberger. Es gebe andere Aktivitäten, die ebenfalls die Gesundheit beeinträchtigten, wie Rauchen, Trinken oder unter Umständen sogar Sport. Die Warnung vor den Risiken sei eher eine zusätzliche Belastung. "Da schaut man schon nicht so aus wie das Ideal und dann heißt es auch noch, das Risiko für einen Schlaganfall ist erhöht", sagt Rosenberger. Auf diese Weise würde übergewichtigen Menschen „nochmal eins drauf gedrückt“. Ihm sei es wichtiger, sich in seiner Haut wohl zu fühlen. "Wenn ich gesundheitliche Probleme bekomme, muss ich dann aber natürlich was dagegen tun."