497 Opfer – das war die erschütternde Bilanz der Studie zu sexuellem Missbrauch im Erzbistum München und Freising. Das Dunkelfeld wurde schon damals höher geschätzt. Nun tauchen immer mehr Fälle auf.
Dutzende weitere Betroffene haben sich seitdem gemeldet. 42 neue Meldungen zählten die unabhängigen Ansprechpersonen der Erzdiözese. Das teilte das Bistum auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa) in München mit.
Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche: Studie geht von 235 Tätern aus
Das vom Bistum bei einer Münchner Anwaltskanzlei in Auftrag gegebene Gutachten hatte bei seiner Vorstellung im Januar eine Austrittswelle aus der katholischen Kirche ausgelöst: Demnach sollen mindestens 497 Opfer von 235 mutmaßlichen Tätern missbraucht worden sein – das Dunkelfeld ist weitaus größer.
Den ehemaligen Erzbischöfen Friedrich Wetter und Joseph Ratzinger, heute Benedikt XVI., wurde in dem Gutachten Fehlverhalten in mehreren Fällen vorgeworfen. Und auch der aktuelle Erzbischof Kardinal Reinhard Marx wird beschuldigt, sich nicht korrekt verhalten zu haben. Dieser hatte daraufhin Papst Franziskus seinen – vom Pontifex umgehend abgelehnten – Rücktritt angeboten.
"Im Kern geht es für mich darum, Mitverantwortung zu tragen für die Katastrophe des sexuellen Missbrauchs durch Amtsträger der Kirche in den vergangenen Jahrzehnten", schrieb Marx dem Papst in seinem Rücktrittsgesuch damals. Das Gutachten hätte für ihn gezeigt, dass es "viel persönliches Versagen und administrative Fehler" gegeben habe, aber "eben auch institutionelles oder systemisches Versagen". Die katholische Kirche sei an einem "toten Punkt" angekommen.
Reform der katholischen Kirche: Es passiert nicht genug
Aus Sicht der Reformbewegung "Wir sind Kirche" sei in Marx' eigenem Bistum seit dem Rücktrittsgesuch nicht genug passiert: "Die konkreten Reformschritte im Münchner Erzbistum hinken leider immer noch den Ankündigungen und Betroffenheitsbekundungen hinterher", sagte "Wir sind Kirche"-Sprecher Christian Weisner der dpa. Kritiker bemängelten jüngst außerdem, dass immer noch keine verlässlichen Zahlen vorliegen.