„Never be my Date“, „Consider Me”, “Dear Love I Hate You”, “Where Summer Stays” und wie sie nicht alle heißen. Die Aufzählung könnte stundenlang so weitergehen, weil jeden Tag ein neuer Schnulzenroman ins Bücherregal fällt. Ach, und auf keinen Fall zu vergessen: Die deutsche Bestsellerreihe „Save me“, „Save you“, „Save us“ von Mona Kasten. Herrlich, diese Kreativität bei der Titelwahl. Aber nein danke, ich muss nicht gerettet werden und möchte das übrigens auch gar nicht.
Wer nicht weiß, worum es geht, hat nichts verpasst
Trotzdem wird beim Betreten der Buchhandlung regelrecht um sich geschlagen mit dem, was sich „New Adult“, also „Neue Erwachsene“, nennt. Und keine Angst, wer jetzt noch nicht weiß, worum's geht, der hat nichts verpasst. Der ausartende „New Adult“-Trend umfasst zigtausende Romane, die alle mit einer fast identischen Geschichte werben: Mädchen oder junge Frau trifft auf sehr gut aussehenden, aber sehr „gefährlichen“ Bad Boy. Das Ganze findet fast immer an einer elitären Privatschule oder einem renommierten College statt. Also Highschool-Drama vom Feinsten. Die weibliche Figur ist dabei meist durchgehend durchschnittlich (nicht reich, nicht beliebt, kein besonderer Adelstitel) und kommt ganz zufällig und ungewollt mit dem Star der Schule in Berührung. Die Voraussetzung ist fast immer, dass beide sich zuerst hassen, dann aber durch ein dunkles Geheimnis oder einen schockierenden Zwischenfall zusammengebracht werden. Ganz nach dem Motto „Enemies to Lovers“ beziehungsweise „von Feinden zu Liebenden“. Und – Überraschung! – letztendlich kommt es zu einer maximal toxischen On-off-Beziehung.
Zum Kitsch in Serie wird das Ganze dann, wenn jeder Roman dieser Art automatisch als erster Band einer Reihe herauskommt. Grad erschienen und die nächsten zwei Teile sind schon vorbestellbar, Klischeekitsch vom Fließband. Aus „Dear Love I Hate You“ wird „Dear Heart I Hate You“ und nein, dann kommt nicht „Dear Soul I Hate You“, sondern „Dear Heart I Miss You”. Wahnsinn, dagegen sind die „Fast & Furious”-Teile ja besser benannt (hier nur eine kleine Auswahl: Fast Five, Fast & Furious 6, Furious 7, The Fate of the Furious, F 9, Fast X). Und damit nicht genug, die Buchserie im Gesamten bekommt natürlich auch noch einen Extranamen, meistens einfach nach der Universität oder dem College der Figuren benannt. Die „Dear Love/Heart“- Angelegenheit ist auch als „Easton High“-Reihe bekannt. Was als „Consider Me“ (also so was wie „Ziehe mich in Betracht“) ganz gemächlich startet, wird schnell im zweiten Band zu „Play With Me“. Ganz nebenbei: Das ist die „Playing for Keeps“-Reihe.
Die Grundlage für die Serie: Die „Save me“-Trilogie
Jetzt aber mal Spaß beiseite: Die Resonanz ist groß. So groß, dass den „New Adult“- und „Young Adult“-Sparten bei der diesjährigen Frankfurter Buchmesse sogar eine eigene Halle gewidmet wird. Die „Save me“-Reihe (eigentlich „Maxton Hall“-Reihe) von der deutschen Autorin Mona Kasten ist so erfolgreich, dass sie als Serie unter dem Titel „Maxton Hall“ verfilmt wurde und diesen Mai auf Amazon Prime rauskam. Eine Woche nach dem Serienstart erreichte die Ufa-Produktion die größte globale Zuschauerzahl bei einem Titel, der nicht amerikanisch ist. Die Verfilmung erreichte außerdem Platz eins der Prime-Video-Charts in über 120 Ländern. Und deswegen wurde gleich die zweite Staffel angekündigt, ach ja, und die Dreharbeiten haben auch schon begonnen. Das ist ja alles schön und gut, aber kann bitte damit aufgehört werden, Autorinnen und qualitativ hochwertigere Bücher in diese Sparte hineinzuziehen, die da nichts zu suchen haben? In diesem Stil ist jetzt nämlich auch eine Graphic Novel nach Jane Austens Klassiker „Stolz und Vorurteil“ zu finden. Bitte was? Der Kultroman, der 2003 auf Platz zwei der BBC-Umfrage über die 100 besten Bücher englischer Sprache und 2015 immer noch auf Platz 11 war, wird in die gleiche Schublade geworfen? Austen hat sich bestimmt etwas anderes vorgestellt, als sie über Emanzipation und Feminismus schrieb.
Auch Colleen Hoover gehört nicht in das „New-Adult“-Eck
Und auch Colleen Hoover gehört nicht in das „New Adult“-Eck. Vielleicht haben es ein paar wegen der ähnlichen Titel verwechselt („It Starts With Us“, „Maybe Someday“ oder „Love and Confess“), aber der Inhalt ist keinesfalls so oberflächlich, klischeehaft und geprägt von großkotzigen, arroganten Typen. Amerikas erfolgreichste Bestsellerautorin schreibt tiefgründig, enthüllt einnehmende Wahrheiten und schockiert mit Wendungen. Und dafür sprechen die Zahlen: 2022 belegten Colleen Hoovers Titel sieben Plätze der New York Times Bestsellerliste Taschenbuch, mittlerweile wurden 20 Millionen Exemplare verkauft.
Die Leserinnen und Leser? Wahrscheinlich alles 16-jährige Teenies oder 40-jährige Hausmütter, schon klar. Natürlich ist eine Liebesgeschichte in jedem ihrer Romane zu finden, aber eben nicht in der Klischeeversion und auch nicht als einziger Inhalt. „Verity“ ist mehr Thriller, genauso wie „Layla“, bloß mit übernatürlichen Geschehnissen. Und Hoover verarbeitet meist sehr sensible Themen: In „Hopeless“ schreibt sie über sexuellen Missbrauch, in „It Ends With Us“ über häusliche Gewalt und in „Slammed“ spielt eine Krebserkrankung und der Umgang mit Trauer eine wichtige Rolle. Die typische „New Adult“-Literatur kann dagegen thematisch und stilistisch einpacken. Da kann man nur froh sein, dass endlich auch einer ihrer Romane verfilmt wurde. „It Ends With Us“ kommt am 9. August in die Kinos, die Besetzung mit Blake Lively und Justin Baldoni in den Hauptrollen klingt vielversprechend. Und auch „Verity“ soll als zweiter Titel von Hoover verfilmt werden. Aber bis dahin ist die zweite Staffel von „Maxton Hall“ bestimmt schon draußen.