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Schlagersängerin Nicole wird 60: Leben nach Krebs und „Ein bisschen Frieden“

Interview

„Du weißt nie, was das Schicksal mit dir vorhat“

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    Nicole, hier im Jahr 2022, lebt nach einer überstandenen Erkrankung bewusster.
    Nicole, hier im Jahr 2022, lebt nach einer überstandenen Erkrankung bewusster. Foto: Jan Woitas, dpa

    Hallo Nicole, zum 60. Geburtstag haben Sie sich ein neues Album gegönnt. Es heißt „Carpe Diem“ In der Ankündigung heißt es, es sei Ihr persönlichstes. Wie sehen Sie das?
    Nicole: Eigentlich ist bei mir jedes Album persönlich. Aber dieses ist schon besonders, weil es einen speziellen Hintergrund hat. Es heißt nicht ohne Grund „Carpe Diem“, also genieße den Tag, denn du weißt nie, was das Schicksal mit dir vorhat. Mir hat das Schicksal vor vier Jahren die Zähne gezeigt. Ich hatte damals eine Krebserkrankung - und dieses Album soll signalisieren, dass diese Zeit für mich jetzt abgeschlossen ist.

    Carpe Diem ist wahrscheinlich so eine Art Mantra für Sie geworden. Wie setzen Sie dieses Vorhaben denn in den Alltag um?
    Nicole: Ich gönne mir mehr, denn ich weiß jetzt: Jeder Tag kann dein letzter sein. Das machen sich die meisten Menschen gar nicht bewusst, leben einfach so dahin und verschenken wertvolle Zeit, die man besser nutzen könnte. Ich höre inzwischen darauf, was mir mein Bauch rät. Ich persönlich reise und koche gerne, bin gesellig und lade mir Gäste ein. Kurz und gut, ich lasse es mir gut gehen. Die Franzosen nennen das: Le savoir vivre.

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    Mit gerade einmal 17 Jahren haben Sie 1982 mit „Ein bisschen Frieden“ den Grand Prix de l‘Eurovision de la Chanson gewonnen. Wie war das rückblickend für Sie?
    Nicole: Das war einer der schönsten Abende in meinem Leben. Wenn ein Kindheitstraum in Erfüllung geht, dann ist das nicht zu toppen. Was noch dazu kam, dass wir von Israel zwölf Punkte bekommen haben – für so ein Lied – und eine Einladung, ich solle vor Soldatinnen und Soldaten in Tel Aviv singen. Das habe ich dann auch gemacht. Und dieses Bild von jungen Frauen und Männern damals, die da mit Waffen vor mir auf Wiese sitzen, das ist ein Moment, der hat sich in meine Seele gebrannt. Das war der Auftritt, bei dem mir Tränen in die Augen geschossen sind. Denn ich dachte mir, unglaublich, dass es mit einem Lied möglich ist, diese beiden Länder zu verbinden.

    Schlagersängerin Nicole im Mai 1982. Die damals 17-jährige Sängerin hatte kurz zuvor, am 24. April 1982, den Grand Prix d'Eurovision de la Chanson gewonnen.
    Schlagersängerin Nicole im Mai 1982. Die damals 17-jährige Sängerin hatte kurz zuvor, am 24. April 1982, den Grand Prix d'Eurovision de la Chanson gewonnen. Foto: Martin Athenstädt, dpa

    Ein bisschen Frieden würde auch heute wieder gut passen. Vielleicht sollte man sich sogar ein bisschen mehr Frieden wünschen.
    Nicole: Ja, es ist aktueller denn je.

    Wie geht es Ihnen angesichts all der Kriege?
    Nicole: Das ist bedrückend. Ich habe dabei eine Art Déjà-vu-Erlebnis. Denn ich habe schon damals rund 750 Millionen Menschen aus dem Herzen gesungen. Es brach übrigens gerade der Falkland-Krieg aus. Das konnten wir aber beim Komponieren des Liedes nicht wissen. Ja, das war damals schon groß, es hat alles gepasst. Und jetzt, wenn ich „Ein bisschen Frieden“ im Konzert singe, frage ich mich immer noch: Warum? Warum werden Kriege geführt? Da setzt mein Verstand aus, und es ergreift einen eine Ohnmacht. Und leider wird es wahrscheinlich immer Kriege geben, denn der Mensch lernt in dieser Hinsicht nicht dazu.

    Sie gelten privat als eher ruhiger Mensch, der auch gerne die Zurückgezogenheit mag. Gab es auch Momente, an denen Sie diesen Erfolg bereut haben?
    Nicole: Nein. Wenn man seit seinem vierten Lebensjahr Musik macht, dann ist das kein Beruf, sondern eine Berufung. Ich glaube, einen Auftrag zu haben, das zeigt sich, dass Menschen nach Konzerten an die Bühne kommen und mir danken. Auch dafür, dass meine Musik ihnen in schwierigen Momenten Trost gespendet hat. Denn Musik kann auch Therapie sein. Und ich wollte immer Sängerin sein.

    War der Sieg in Harrogate der wichtigste Moment in Ihrem Leben oder war es die Hochzeit, die Geburt Ihrer Mädchen?
    Nicole: Alles! Denn aller guten Dinge sind drei. Der Abend in Harrogate war groß, genauso meine Hochzeit. Und die Geburt unserer beiden Töchter war ebenfalls besonders. Das sind ganz wichtige Tage in meinem Leben, die ich nicht missen möchte. Ich habe es glücklicherweise im Leben ganz gut geschafft, Beruf und Familie dank meiner Eltern und Schwiegereltern unter einen Hut zu bringen. Ich hatte aber auch eine eiserne Regel, nach der ich gelebt habe: Zehn Tage Beruf, 20 Tage Familie. Davon bin ich nie abgewichen.

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    Ralph Siegel schrieb die Musik zu „Ein bisschen Frieden“. Er ist inzwischen schwer krank. Haben Sie noch Kontakt zu ihm?
    Nicole: Selbstverständlich. Ich habe ihm am 30. September erst zu seinem 79. Geburtstag gratuliert. Am selben Tag ist übrigens der Texter Bernd Meinungen 80 geworden. Den habe ich allerdings nicht erreicht. Mit Ralph schreibe ich etwa alle zwei Wochen per WhatsApp.

    Ich komme nochmals auf Ihr eigenes Schicksal zurück, das Ihnen die Zähne gezeigt hat. Sie selbst waren schwer erkrankt. Ende 2020 wurden bei Ihnen zwei bösartige Tumore in der rechten Brust entdeckt. Vor zwei Jahren konnten Sie glücklicherweise ihre erfolgreiche Heilung verkünden. Wie hat Sie die Krankheit verändert?
    Nicole: Sie hat tatsächlich etwas mit mir gemacht. Ich lebe seitdem viel bewusster. Ich achte mehr auf mich und sortiere genauer aus, was wichtig und was weniger wichtig ist. Das tut gut.

    Sie haben damals eine Nachricht Ihres Arztes bekommen: „Du hast es geschafft.“ Sie sagen, das seien die besten Worte Ihres Lebens gewesen. Was haben Sie sich hinterher gegönnt?
    Nicole: Wir haben zu Hause eine Flasche Champagner geöffnet. Und mein Mann und ich wollen das beibehalten, dass wir bei jedem „Alles in Ordnung“ bei den Nachuntersuchungen mit Champagner anstoßen.

    Sie sind seit 40 Jahren mit Ihrem Jugendfreund, dem Kfz-Sachverständigen Winfried Seibert, verheiratet. Haben Sie ein Rezept, um so lange zusammen glücklich zu sein?
    Nicole: Dazu habe ich gerade eine lustige Geschichte mit der Boulevardpresse erlebt. Da stand in einer Geschichte: „Peinliches Sexgeheimnis gelüftet“. Und dann stand drin, dass ich mit meinem Mann seit 40 Jahren verheiratet bin und keine anderen Männer hatte. Das war also dann die peinliche Sexbeichte (lacht). Ich frage mich: Muss ich mich schämen, dass ich seit 40 Jahren mit demselben Mann zusammen bin?

    Zur Person: Nicole, geboren am 25. Oktober 1964 als Nicole Hohloch in Saarbrücken, begann ihre Karriere auf Betriebsfeiern und Schulfesten. Zum Geburtstag veröffentlicht sie ihr 30. Album.

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