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Sabotage: Wie gut ist der Bahnverkehr vor Sabotage und Angriffen geschützt?

Sabotage

Wie gut ist der Bahnverkehr vor Sabotage und Angriffen geschützt?

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    Sowohl in Herne als auch in Berlin-Hohenschönhausen wurden am frühen Samstagmorgen zwei Kabel durchtrennt, die den Bahnverkehr lahm legten.
    Sowohl in Herne als auch in Berlin-Hohenschönhausen wurden am frühen Samstagmorgen zwei Kabel durchtrennt, die den Bahnverkehr lahm legten. Foto: John Boutin, dpa

    Zwei durchtrennte Datenkabel in Nordrhein-Westfalen und Berlin – und der Funkverkehr der Deutschen Bahn war großräumig lahmgelegt. Am Samstagmorgen standen Züge in Norddeutschland für mehrere Stunden still, weil die Leitstellen infolge der kaputten Kabel nicht mehr miteinander kommunizieren konnten. Der Staatsschutz in Bochum geht von einer "politisch motivierten Tat" aus; es sei eine größere Ermittlungsgruppe gebildet worden, die mit Hochdruck daran arbeite, die Hintergründe der Tat zu klären, hieß es.

    Der Vorfall zeigt: Die kritische Infrastruktur in Deutschland ist angreifbar und kann leicht zum Ziel werden. Umso schwieriger ist es, sie zu schützen. Wie gut ist dies überhaupt möglich? Und wie gefährdet sind andere Landesteile, gerade auch Bayern, wo es erst im August einen bemerkenswerten Vorfall gab?

    Sicherheitsexperte Neumann: Knotenpunkte der kritischen Infrastruktur besser überwachen

    Peter Neumann ist Professor für Sicherheitsstudien am King's College in London. Laut dem Sicherheitsexperten sei die Bahnsabotage erst dadurch möglich geworden, dass etwa in den Bereichen Verkehr und Energie hierzulande zu lange keine Vorkehrungen getroffen worden seien. Lange sei die naive Devise gewesen: "Wir sind in unserem Territorium sicher, es herrscht keine Gefahr." Im Cyberbereich gebe es dagegen bereits bessere Sicherheitsanstrengungen, weil es in der Vergangenheit auch mehr Angriffe gegeben habe.

    Außerdem ist es Neumann zufolge ein Problem, dass 80 Prozent der kritischen Infrastruktur in Deutschland nicht in staatlichen, sondern in privaten Händen liegen. Eigene Maßnahmen zu treffen, gehe nicht direkt mit einem Profit einher und sei deshalb nicht attraktiv, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Für eine sicherere Infrastruktur "braucht es daher eine bessere Partnerschaft zwischen Staat und privaten Akteuren", fordert er. Im Hinblick auf die Bahn könne das so aussehen: kritische Knotenpunkte identifizieren und besonders diese besser bewachen. "Man muss nicht jede Straße, jede Bahn bewachen. Das geht auch nicht. Aber jene Knotenpunkte, an denen alles zusammenläuft und an denen man mit relativ wenig Aufwand sehr viel lahmlegen kann, müssen geschützt werden."

    DB hat "individuelle Sicherheitskonzepte" zum Schutz der Bahninfrastruktur

    Doch welche Punkte sind es, an denen beispielsweise das Streckennetz der Bahn verwundbar ist? Die Deutsche Bahn erklärt, dass man sich nicht im Detail äußern könne, welche Stellen der Infrastruktur besonders gefährdet sind. Für "den Schutz der sensiblen Infrastrukturanlagen wie Gleise, Bahnhöfe, Weichen, Signale, Telekommunikationsanlagen, Brücken, Tunnel oder Umschlag-, Rangier- und Abstellanlagen" gebe es "individuelle Sicherheitskonzepte", sagt eine Sprecherin des Unternehmens nur am Montag auf Anfrage. Ein Beispiel seien Sicherheitsteams, "die die Infrastruktur systematisch kontrollieren". Konkreter wird sie nicht. Auch Eisenbahn- und Verkehrsgesellschaften in Bayern, etwa Agilis oder die Bayerische Regiobahn (BRB), nutzen das Streckennetz der DB Netz AG. Eine eigene oder eine andere Sicherheitsinfrastruktur als die der DB gebe es daher nicht, sagt eine Agilis-Sprecherin.

    Für Schlagzeilen sorgte vor wenigen Wochen im Freistaat ein Vorfall auf einem Streckenabschnitt, der von der BRB betrieben wird. Anfang August legten Unbekannte einen Brand in einem Kabelschacht am Bahnhof von Mering im Kreis Aichach-Friedberg. Mehrere Tage lang gab es daraufhin Störungen auf der Strecke zwischen Augsburg und Weilheim. Die Ermittlungen der Kriminalpolizei dauerten an, teilt ein Sprecher dazu am Montag mit.

    Nach dem Vorfall forderten viele Bürgerinnen und Bürger aus Mering mehr Überwachung. Wie jetzt deutschlandweit nach dem Sabotageakt in Herne und Berlin. Die bayerischen Landtags-Grünen erklärten, einen Antrag stellen zu wollen, um die statistische Auswertung von Angriffen auf die kritische Infrastruktur zu ermöglichen. Die Bundes-SPD fordert mehr Befugnisse für die Bundespolizei.

    Zugausfälle: Steckt Russland hinter der Bahnsabotage in Berlin und Herne?

    Bleibt die Frage: Wer hat Interesse daran, die Infrastruktur der Bahn lahmzulegen? Sicherheitsexperte Neumann hält es für vorstellbar, dass Russland hinter der Sabotage steckt. Einerseits hätten die Täter genug Insiderwissen gehabt. "Sie kannten die zwei Kabel ganz genau, mit denen man den gesamten Bahnverkehr in Norddeutschland lahmlegt", sagt er. Bekannt ist: Zuerst öffneten sie gegen zwei Uhr am Samstagmorgen gezielt einen schweren Betondeckel in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs in Herne. Dann sägten sie mit einer Flex die Kabelleitung durch. Wenige Stunden später wurde ein weiterer Schacht in Berlin geöffnet und ein weiteres Kabel durchtrennt – jenes, das als Sicherung für die Leitung in Herne diente. "Ökoaktivisten oder Anarchisten" traue er das nicht zu, so Neumann..

    Andererseits handle es sich um Täter, die den Angriff mit ausreichend Zeit vorbereitet hätten, sagt er. "Das sind in der Regel staatliche Akteure." Russland habe in der Vergangenheit bereits etwa im Cyberbereich kritische Infrastruktur in Deutschland angegriffen. "Außerdem passt es zu der hybriden Kriegsführung und Doktrin Russlands." Beweise, betont Neumann, gebe es noch nicht, unplausibel sei es aber ebenfalls nicht.

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