Als die acht Enkel Königin Elizabeths II. ihren Sarg umringen, wird es in der Westminster Hall still. William und Harry stehen in Militäruniformen an Kopf und Fuß des Sarges. An den Seiten stellen sich die Kinder von Queen-Tochter Prinzessin Anne, Zara Tindall und Peter Phillips, sowie die Töchter von Prinz Andrew, Beatrice und Eugenie, auf. Auch Lady Louise und Viscount Severn, die Kinder von Prinz Edward, nehmen an dem Abschied von ihrer „Grannie“ teil. Ein Youtube-Kanal der BBC übertrug die Bilder aus dem Parlament am Wochenende ununterbrochen, 24 Stunden am Tag. Am Montag wird die Monarchin in der Kathedrale Westminster Abbey beerdigt. Millionen Menschen werden zuschauen.
Dass die Zeremonie in Angedenken an die Monarchin weltweit und überall zu sehen sein wird, geht zweifelsohne auf sie selbst zurück. Schließlich beschloss die Königin im Jahr 1953, dass ihre Krönung, die ebenfalls in der Kathedrale von Westminster Abbey stattfand, im Fernsehen übertragen werden sollte. Damit setzte sie sich gegen den damaligen Premierminister Winston Churchill durch. Er war, anders als die Queen, davon überzeugt, dass dies eine heilige Zeremonie sei, die man nicht filmen solle. Die noch junge Königin sah dies anders und prägte damit ihrer Regentschaft und die britische Monarchie als eine Medien-Monarchie, bis heute.
Königin Elisabeth wusste die Medien für sich zu nutzen
Mithilfe des Fernsehens, insbesondere des öffentlich-rechtlichen Senders BBC, öffnete sie das Königshaus nicht nur für Britinnen und Briten, sondern für Menschen auf der ganzen Welt. Weil Ansprachen, Staatsbesuche und Reisen sichtbar wurden, sie sich medienwirksam bejubeln ließ oder im Gegenteil einen ersten ernsten Ton anschlug, nahm sie über die Grenzen Großbritanniens subtil Einfluss auf Politik und Gesellschaft. So konsolidierte sie nicht nur das Vereinigte Königreich, sondern lange Zeit auch das Commonwealth, dem heute 56 Staaten angehören, von denen 15 den britischen Monarchen als Staatsoberhaupt haben.
Dabei war nicht nur wichtig, dass, sondern auch wo sie sich zeigte: „Ihre mediale Anwesenheit vermittelte, dass ein wichtiges Ereignis stattfand“, betonte die Medienwissenschaftlerin Katerina Girginova. Damit wurden Werte und Traditionen betont. Ein Beispiel ist die jährliche Weihnachtsansprache der Queen in der BBC. Vor dem Weihnachtsbaum sitzend, wandte sie sich an diesem Tag im Jahr zu jeder einzelnen Familie und wurde so ein ganz wesentlicher Bestandteil des christlichen Fests. Eine Tradition, die ihr Sohn, König Charles III., sicherlich fortführen wird.
Welchen Einfluss hatte Queen Elizabeth auf die Rolle der Frauen?
Dass sie eine Königin war, die 1953 vor den Augen der Welt zum Staatsoberhaupt wurde, hatte auch gesellschaftliche Folgen. Viele Frauen verbanden damit ein die Aussicht auf eine bessere Zukunft mit mehr Rechten, betonte Rachel Cooke in der britischen Tageszeitung „The Guardian“. „Das hatte etwas Unbeschwertes. Es fühlte sich zeitgenössisch an, nach einer neuen Generation", beschrieb die Journalistin Joan Bakewell das Gefühl. Elizabeth wurde im Alter von nur 25 Jahren zur Königin, nachdem ihr Vater George VI. an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben war.
Camilla berichtete in einem aufgezeichneten Interview mit der BBC, wie ihre Schwiegermutter über viele Jahre aus der „schwierigen Position“ einer „einsamen Frau“ in einer von Männern dominierten Welt ihre eigene Rolle herausgearbeitet habe. Als sie ihr Amt antrat, habe es „keine weiblichen Premierminister oder Präsidenten gegeben. Sie war die einzige, also denke ich, dass sie sich ihre eigene Rolle geschnitzt hat“.
Königin Elisabeth als Wegbereiterin für die zweite Welle der Frauenbewegung?
Die Präsenz der Queen als Frau hat gesellschaftlich Einfluss darauf genommen, wie man diese wahrgenommen hat. Journalist und Radiomoderator Andrew Marr sagte kürzlich in einer Talkshow, dass sie es normalisiert habe, Frauen in einer mächtigen Rolle zu sehen. Und so kann man Cooke zufolge die Monarchin als eine Wegbereiterin für die feministische Bewegung der 60er- und 70er-Jahre verstehen. Schließlich war diese Zeit geprägt von Premieren für Frauen: Es gab die erste Nachrichtensprecherin, die erste Bankerin in Großbritannien und auch in der Regierung arbeiteten jetzt Frauen.
Nun wäre es Experten zufolge übertrieben, die Queen als Feministin zu beschreiben. Allerdings existieren Anekdoten, die trotz aller politischen Zurückhaltung eine Haltung nahelegen. So bestand sie im Jahr 1998 darauf, den damaligen saudi-arabischen Kronprinz Abdullah über ihr Anwesen zu fahren. Dass für Frauen in Saudi-Arabien das Autofahren damals noch verboten war, dürfte ihr bekannt gewesen sein. Die Queen prägte die Gesellschaft durch ihre Präsenz. Wenn am Montag Milliarden Menschen den Fernseher einschalten, um ihre Trauerfeier zu sehen, tut sie es über ihren Tod hinaus.