Fast 28 Jahre ist es her, dass Prinzessin Diana im Kensington-Palast in einem gepolsterten Sessel Platz nahm, um dem BBC-Journalisten Martin Bashir ein Interview zu geben, das in die Geschichte einging. In dem Gespräch erzählte sie etwa, dass sie wegen Camilla „zu dritt in dieser Ehe waren“. Am meisten Aufsehen erregte sie jedoch mit ihrer Äußerung, dass ihr Ehemann Charles, damals noch Prinz von Wales, für das Amt des Königs ungeeignet sei. Die Aufgabe sei zu „anspruchsvoll“ für ihn, sie würde ihn erdrücken, sagte sie.
Auch in der Öffentlichkeit herrschten Zweifel daran, ob Charles als Monarch bestehen würde. Es wurden große Protestwellen erwartet, Camilla würde niemals als Königin akzeptiert werden, und vor allem, so waren sich Experten sicher, könne er es nicht lassen, „Minister mit handgeschriebenen Briefen und beleidigenden Memos zu bombardieren“, obwohl er sich nicht in politische Angelegenheiten einmischen dürfe, so der Historiker Dominic Sandbrook. In anderen Worten: Manche glaubten, dass ein Jahr nach dem Tod von Königin Elisabeth II. eine Republik unvermeidlich wäre.
Die Mehrheit unterstützt die Monarchie in Großbritannien
Doch die royalen Beobachter lagen mit ihren Unkenrufen falsch. Denn die große Krise für das Königshaus blieb bislang aus. Jüngsten Umfragen zufolge hat immerhin jeder zweite Brite eine positive Meinung von dem 74-jährigen Staatsoberhaupt. „Die Öffentlichkeit unterstützt die Monarchie und die Mitglieder der königlichen Familie weiterhin“, betont Matthew Smith vom Meinungsforschungsinstitut YouGov. Gleichzeitig sprechen sich aktuell nur rund 28 Prozent für eine Republik aus.
Nach der Thronbesteigung warteten Skeptiker auf Fehltritte von Charles III. Diese blieben jedoch aus, von kleineren emotionalen Überforderungen über auslaufende Füllfederhalter mal abgesehen, etwa als sich der König im vergangenen Jahr in Nordirland in ein Gästebuch eintragen sollte. Proteste von Monarchie-Gegnern fanden zwar immer wieder statt, hielten sich aber auch wegen des harten Vorgehens der Polizei in Grenzen.
Charles III. wird zu Großvater der Nation
„Bei öffentlichen Auftritten zeigte Charles, dass er sich in seiner Rolle wohlfühlte. Er strahlte Zuversicht aus“, betont Pauline Maclaran, Königshaus-Expertin an der Royal-Holloway-Universität in London gegenüber unserer Redaktion. Während Elizabeth II. als Großmutter der Nation galt, nimmt ihr Sohn nun die Rolle des Großvaters ein, meint der englische Filmemacher John Bridcut, der mit ihm an mehreren Projekten gearbeitet hat: „Charles hat seine Haare länger wachsen lassen. Ich denke, das verstärkt das Gefühl der Ehrwürdigkeit, als ob er sich über sein weißes Haar freuen würde.“
Viele Briten empfanden es außerdem als sympathisch, dass er sich nach dem Tod seiner Mutter emotional und nahbar zeigte, so Maclaran. Über Königin Elizabeth wussten die Menschen nicht viel. Charles hingegen wirkt greifbarer. Wie viele Briten bemühte sich der Monarch angesichts steigender Lebenshaltungskosten obendrein um Sparmaßnahmen. So heizten die Mitglieder der königlichen Familie und die Mitarbeiter im Winter die Räume nur auf maximal 19 Grad Celsius auf.
Britische Monarchie ist ein willkommenes Zeichen der Beständigkeit
Aber auch das Timing könnte Experten zufolge für seine verhältnismäßig hohe Beliebtheit verantwortlich sein: „Angesichts der vielen weltweiten und nationalen Probleme, etwa in der britischen Regierung, sehnen sich zahlreiche Menschen offenbar nach Beständigkeit“, betont Sandbrook.
Die größte Herausforderung für den King waren und sind jedoch die wiederholten Angriffe durch seinen Sohn Prinz Harry. Dieser hatte gemeinsam mit seiner Frau, Herzogin Meghan, dem Königreich im Januar 2020 endgültig den Rücken gekehrt und attackiert die Königsfamilie seitdem von den USA aus. Seine im Januar veröffentlichten Memoiren „Spare“ (deutscher Titel: „Reserve") strotzen nur so vor brisanten Details. So berichtete dieser etwa, dass Charles große Probleme habe, seine Gefühle zu zeigen. Als sein Vater ihm vom Autounfall Dianas berichtete, habe er ihn nicht umarmt, sondern nur tröstend die Hand auf sein Knie gelegt. Der King ließ die Enthüllungen in guter alter Tradition unkommentiert, verwies das Paar allerdings im Frühjahr von „Frogmore Cottage“, dem früheren Wohnsitz der Sussexes im Park von Schloss Windsor.
Wie unter der Queen gilt damit weiter das Motto: „Never complain, never explain“, „beschwere dich nicht, erkläre dich nicht“. „Ich denke, er hat die Situation besser gemeistert als jeder andere“, betont der Royal-Experte Richard Fitzwilliams. Aber es sei auch großer Schaden verursacht worden. Schließlich seien die Umfragewerte insbesondere unter den jungen Briten im Alter zwischen 18 und 24 Jahren inzwischen „durchweg schlecht“. Es scheint, als spiele die Art und Weise, wie der Palast Harry und Meghan behandelt hat, dabei eine Rolle, so Matthew Smith von YouGov.
Jeder Moment ist bis ins Detail geplant
Bei seinem Vorgehen verlässt sich der King offenbar auf ein festes Team aus Redenschreibern und PR-Beratern. „Von seiner ersten Fernsehansprache bis zu seinen Touren durch Schottland, Wales und Nordirland“ schien fast jeder Moment bis ins letzte Detail geplant worden zu sein, so Sandbrook. Aus Kreisen des Palastes hieß es, man sei sehr vorsichtig, denn ein einziger Fehltritt könne in die falsche Richtung lenken. Und so verlief auch Charles’ Besuch in Deutschland reibungslos.
Der König sei deshalb bemüht, involviert zu wirken, betonte Maclaran. Zu Beginn des Jahres drängte er etwa darauf, dass die Gewinne aus den Pachtverträgen für Offshore-Windparks der Allgemeinheit zugutekommen. Im Herbst dieses Jahres startet er überdies sein erstes Großprojekt: eine landesweite Initiative gegen die Verschwendung von Lebensmitteln. Es ist ein Thema, dass dem King schon seit Jahrzehnten am Herzen liegt. Um Ressourcen zu schonen, füttert er Essensreste an seine Hühner. Überdies hat er seinen alten Aston Martin so umrüsten lassen, dass er mit Biokraftstoff aus Wein und Molke fährt.