Wer Jahrzehnte lang arbeitet, muss auch eine gute Rente bekommen. Sätze wie diese rund um die Themen Altersarmut und Rente haben die politische Debatte in diesem Jahr in Deutschland geprägt.
Grund genug für die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) "Respektrente" zum "Wort des Jahres" 2019 zu küren. Der Begriff bezeichne die geplante Einführung einer Grundrente für Männer und Frauen, die trotz langjähriger Erwerbstätigkeit nur eine sehr geringe Rente beziehen, erklärte der GfdS-Vorsitzende Peter Schlobinski am Freitag in Wiesbaden.
"Respektrente" wird insbesondere mit Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Verbindung gebracht. Dieser hatte in der Grundrenten-Debatte der Großen Koalition seit Jahresbeginn die Botschaft verbreitet: "Lebensleistung verdient Respekt." Außerdem sagte der Minister: "Nennen Sie es ruhig Respektrente oder Gerechtigkeitsrente."
Dementsprechend erfreut zeigte sich Heil über die Wahl der GfdS. Sie demonstriere, dass es sich lohne, die Vermittlung politischer Ziele gleichermaßen sorgsam und kreativ anzugehen, teilte Heil mit. "Das zeigt, dass nicht nur der Begriff, sondern auch die Inhalte unserer Grundrente viele Menschen erreichen", erklärte der SPD-Politiker. "Die Respektrente erkennt die Lebensleistung von Menschen an, die jeden Tag hart arbeiten und dieses Land am Laufen halten."
Die Grundrente sei auch Ausdruck des Respekts gegenüber Frauen, die für Kindererziehung und Pflege von Angehörigen beruflich zurücksteckten und Teilzeit arbeiteten, erklärte Heil weiter. Und sie sei Anerkennung der Lebensleistung vieler ostdeutscher Menschen, die nach der Wende hart gearbeitet, aber wenig verdient haben.
Nach langem Streit hatte sich die Große Koalition Mitte November auf einen Kompromiss zur Grundrente geeinigt. Bis zu 1,5 Millionen Menschen mit sehr kleinen Renten und mindestens 35 Beitragsjahren sollen ab 2021 einen Zuschlag erhalten. Die Berechtigung und Höhe stellen Rentenversicherung und Finanzamt fest.
"Der Sachbegriff Grundrente hing wie ein Damokles-Schwert über der GroKo und hat politisch für erhebliche Turbulenzen gesorgt", erklärte Peter Schlobinski die Entscheidung der GfdS. Sprachwissenschaftlich sei der "Kampf- und Werbebegriff Respektrente" interessant und stehe für ein aktuelles Muster in der Politik. Politiker wollten so semantisch steuern, wie ein eher trockener Begriff wie Grundrente zu interpretieren sei. Im Kampf um die Deutungshoheit wolle man auf diese Art und Weise Punkte sammeln.
Mit Respekt assoziiere man etwas sehr Positives, erläuterte Schlobinski. Im Fachjargon sei es deshalb ein "Hochwertwort". Für den politischen Gegner sei es sehr schwer, dagegen zu argumentieren. "Wenn ich das Wort präge und benutze, kann ich erwarten, dass auch mir Respekt entgegen gebracht wird." Die Hoffnung sei letztlich, das in Wählerstimmen umzumünzen.
"Mit dem Wort Respekt kommt man in der Rentendiskussion nicht so weit", sagte dagegen Samuel Beuttler-Bohn, Referent für Alterssicherung beim Sozialverband VdK. Obwohl inhaltlich ein guter Kompromiss, sei "Respekt" zu hoch gegriffen für das, was die Grundrente dem Einzelnen bringe. Eigentlich gehe es um Anerkennung der Lebensleistung. "Lebensleistungsrente wäre der beste Begriff gewesen, aber der war schon durch den politischen Gegner besetzt", führte Beuttler-Bohn aus.
Auf dem zweiten Platz landete "Rollerchaos". E-Roller hätten sich in vielen deutschen Städten zu einem Problem entwickelt, da sie häufig rücksichtslos genutzt und unkontrolliert abgestellt würden, teilte die GfdS mit.
Obwohl die Klimabewegung "Fridays for Future" dieses Jahr in aller Munde war, landete der Begriff nur auf Platz drei. Der Anglizismus sei zwar kein Ausschlusskriterium, aber schon ein Gegenargument in der Diskussion gewesen, sagte Schlobinski. Zudem sei es kein Wort im engeren Sinne, sondern eine Phrase. Die neunköpfige Jury habe intensiv und konstruktiv über die ersten drei Plätze diskutiert, sich dann aber für Respektrente entschieden. "Fridays for Future ist kein Wort, das einen sofort anspringt und auf Platz eins landen muss."
Das "Wort des Jahres" wird seit 1977 regelmäßig gekürt. Gesucht werden laut GfdS Wörter und Wendungen, die das politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben eines Jahres sprachlich in besonderer Weise bestimmt haben. Dabei sei nicht Häufigkeit entscheidend, sondern Signifikanz und Popularität.
Insgesamt lagen der Jury 2000 Vorschläge zum "Wort des Jahres" vor. Daraus seien zunächst 212 Wörter extrahiert und dann eine Liste von 30 Begriffen erstellt worden, erklärte Schlobinski den Ablauf.
Im vergangenen Jahr war "Heißzeit" das Wort des Jahres, 2017 hatte es "Jamaika-Aus" ganz nach oben geschafft. "Postfaktisch" sah die Jury 2016 als prägend, 2015 dagegen waren "Flüchtlinge" nicht nur das bestimmende Thema, sondern auch "Wort des Jahres". (dpa)
Gesellschaft für deutsche Sprache