Der Terror beeinflusst auch den Tourismus. Vor allem die Anschläge in Paris, in der Türkei, in Tunesien und Ägypten verunsichern die Reisenden. Die heile Reisewelt hat sich als Utopie entlarvt. Dieses Bewusstsein drückt auf die Reiselust genauso wie die Flüchtlingsströme.
Und doch wollen die Menschen auch 2016 verreisen. Möglichst dahin, wo sie sich in Sicherheit wähnen, wo es entspannt und unkompliziert zugeht. Laut einer Umfrage der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) will jeder Fünfte nach den letzten Anschlägen seine Reisepläne ändern, darunter sind auffällig viele Familien. Und von den Änderungswünschen sind vor allem Länder mit islamischer Kultur betroffen – auch die Vereinigten Arabischen Emirate, die bisher von Anschlägen verschont blieben, und die Türkei, die mit ihrer Politik für große Verunsicherung sorgt. Diese 63 Länder der Erde gelten derzeit als riskant
Mallorca steht wieder hoch im Kurs
Dagegen steht Mallorca im nächsten Jahr wieder hoch im Kurs, ebenso die Kanaren und Portugal. Auf der Gewinnerseite sehen die Veranstalter auch Fernreisen und Kreuzfahrten. Auf den Schiffen geht der Trend zu all inclusive. Nach dem Vorbild von TUI Cruises bringt auch die amerikanische Reederei Norwegian Cruise Line nun ein Rundum-sorglos-Paket auf den Markt. Laut Travel Monitor liegen zudem Luxusreisen im Trend, das Hochpreissegment wächst demnach weltweit am stärksten.
Eine eigene Hitliste der Trend-Reiseziele hat Lonely Planet wieder erstellt. Auf Platz 1 liegt diesmal mit Transsilvanien ein Überraschungssieger, den die Veranstalter so nicht im Fokus haben. „Ja, diese Region hat auch düstere Burgen und nebelverhangene Berge zu bieten“, heißt es in der Backpacker-Bibel, „aber wer Transsilvanien heute besucht, wird wohl eher durch innovative Kunstgalerien schlendern, Bären beobachten oder in den Karpaten Ski fahren.“ Siebenbürgen erlebe gerade eine Renaissance. „Cluj-Napoca (deutsch: Klausenburg) wurde vom Kunstverlag Phaidon zur Kunststadt der Zukunft ausgerufen und Brasov (deutsch: Kronstadt) zieht mindestens genauso viele Nachtschwärmer wie Vampirjäger an.“
Bayern liegt unter den Top-10
Unter den Top Ten finden sich neben Exotischem wie Neuseelands Waiheke Island, Hawaiis Bergen, Brasiliens Costa Verde und dem kubanischen Valle de Viñales auch Europäisches wie die französische Region Auvergne, das italienische Friaul, Islands Westen und – auf Rang acht – Bayern, das „Supermodel unter Deutschlands 16 Bundesländern, gesegnet mit übermäßiger Schönheit, toller Ausstrahlung und einer lässigen Art“, so die Lonely-Planet-Redaktion.
Bei den Ländern hat sich Botswana an die Spitze gesetzt vor Japan und den USA. Unter die ersten Zehn kamen Palau, Uruguay, Grönland, Australien und Fidschi sowie aus Europa Polen und Lettland. Das Städte-Ranking führt Kotor in Montenegro an. Quito, die Hauptstadt Ecuadors, kam auf Platz zwei, das irische Dublin auf Platz drei, gefolgt vom holländischen Rotterdam. Mit Georgetown/Malaysia, Fremantle/Australien und dem britischen Manchester sind auch Städte unter den Top Ten, die man hier nicht erwarten würde. Sie stehen neben Tourismus-Schwergewichten wie Rom, Nashville/USA und dem indischen Mumbai.
Diese Zusammensetzung ist durchaus gewollt. Laut dem MairDumont-Verlag, zu dem Lonely Planet Deutschland gehört, berücksichtigt die Redaktion zum einen Orte, die aktuell „eine interessante Wandlung durchmachen“ und aus dem „Dornröschenschlaf erwachen“. Zum anderen gehe es um Orte, die „bisher übersehen und unterschätzt“ wurden. Aber auch besondere Ereignisse und Feste spielten eine Rolle. Im Endergebnis entscheiden „Begeisterungsfähigkeit, Preis-Leistungs-Verhältnis und der ganz spezielle Wow-Faktor“.
Buchungszahlen bestimmen die Trend-Ziele
Den Wow-Faktor berücksichtigen die Veranstalter eher nicht, wenn sie an Trend-Reiseziele denken. Da geht es eher darum, welche Länder und Städte im kommenden Jahr am stärksten gebucht werden. Trotzdem gibt es Übereinstimmungen. Kuba etwa steht ganz oben auf der Hitliste. „Die Touristen wollen noch kurz vor Torschluss den morbiden Charme erleben“, heißt es etwa bei Thomas Cook. Auch der Oman wird hoch gehandelt – als der noch ursprüngliche Orient. FTI etwa puscht Salalah im Süden des Sultanats, hat aber auch Marokko im Visier. Der Studienreiseveranstalter Studiosus dagegen sieht im Iran großes Potenzial und freut sich über eine erhöhte Nachfrage nach Italien. Die TUI propagiert Mauritius auch als Familienziel und startet 2016 eine Adria-Offensive.
Die Suchmaschine Skyscanner hat neben dem kubanischen Havanna auch die Azoren, die japanische Hauptstadt Tokio, die Insel Sansibar, das lettische Riga, Kopenhagen, Taiwans Hauptstadt Taipeh und das kroatische Dubrovnik als Trendziele ausgemacht. Ganz anders TripAdvisor, auf dessen Hitliste das portugiesische Porto auf Platz 1 steht, gefolgt von Moskau und dem britischen Brighton. Ausschlaggebend für das Ranking ist hier „der Anstieg an positivem Feedback und dem Interesse der Reise-Community im Jahresvergleich“. Diese Kriterien bescherten Köln Platz zehn. In die Top Ten bei TripAdvisor haben es auch das polnische Krakau, Granada und Valencia in Spanien, das britische Liverpool und Funchal, die Hauptstadt Madeiras, sowie Oja in Griechenland geschafft.
Und was sagt der Fachmann zu all dem? Dr. Martin Lohmann von der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR), die alljährlich die Reiseanalyse erstellt, weist darauf hin, dass sich die Reiseziele grundsätzlich zu einem Drittel in Deutschland, zu einem Drittel am Mittelmeer und zu einem Drittel in der Ferne befänden. Für die Zukunft sieht der Experte Wachstumspotenzial sowohl beim Deutschlandurlaub als auch in der Ferne. Da liegen also die Unternehmen Lonely Planet und TripAdvisor gar nicht so falsch …