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Reichbürger-Prozess in Stuttgart, Frankfurt & München: Worum geht es?

Gericht

Reichsbürger-Prozesse: Worum geht es in Stuttgart, Frankfurt und München?

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    Der Hauptangeklagte Heinrich XIII. Prinz Reuß sitzt beim Prozesses gegen eine mutmaßliche "Reichsbürger"-Gruppe auf der Anklagebank.
    Der Hauptangeklagte Heinrich XIII. Prinz Reuß sitzt beim Prozesses gegen eine mutmaßliche "Reichsbürger"-Gruppe auf der Anklagebank. Foto: Boris Roessler, dpa

    Sie wollten sich Hunderte Waffen besorgen, Feindeslisten entwerfen, den Reichstag stürmen und die Bundesrepublik stürzen – das waren die Pläne der mutmaßlichen "Reichsbürger" um Heinrich XIII. Prinz Reuß. Unter ihnen sind auch Ex-Militärs sowie eine Ex-Bundestagsabgeordnete. Das Mammutverfahren gegen 26 Verdächtige wurde in drei Hauptverfahren aufgeteilt. Der Präsident des Oberlandesgerichts Stuttgart, Andreas Singer, bezeichnete den Prozess zuletzt als "eines der größten Staatsschutzverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik".

    Was wird "Reichsbürgern" um Prinz Reuß im Prozess vorgeworfen?

    Im Dezember 2022 stürmten Polizisten in mehreren Bundesländern und im Ausland Wohnungen und Häuser. Nach der großangelegten Anti-Terror-Razzia erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen 27 Verdächtige – einer von ihnen ist vor Prozessbeginn gestorben. Die mutmaßlichen "Reichsbürger" um Prinz Reuß sollen einen gewaltsamen Umsturz in Deutschland geplant haben. Sie wollten die bestehende staatliche Ordnung gewaltsam beseitigen und sie durch eine eigene, bereits in Grundzügen ausgearbeitete Staatsform ersetzen, so der Vorwurf. Sie sollen geplant haben, mit einer bewaffneten Gruppe ins Reichstagsgebäude in Berlin einzudringen, um dort Bundestagsabgeordnete festzunehmen und so den Systemumsturz herbeizuführen.

    Offenbar hatte die Gruppe Zugriff auf ein massives Waffenarsenal und soll bei den Umsturzplänen bewusst Tote in Kauf genommen haben. Heinrich XIII. Prinz Reuß hätte als Staatsoberhaupt fungieren sollen, die ehemalige Berliner Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann hätte für das Ressort Justiz zuständig sein sollen. Nach der geplanten Machtübernahme sollten nach dem Willen der Gruppe auch die Behörden umstrukturiert werden. Laut Anklage sollten beispielsweise Beamte entlassen werden, die sich freiwillig mit einem mRNA-Impfstoff gegen Corona impfen ließen.

    Dem Plan der Gruppe zufolge hätte eine Übergangsregierung mit den alliierten Siegermächten des Zweiten Weltkriegs eine neue staatliche Ordnung in Deutschland verhandeln sollen. Denn "Reichsbürger" behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) weiter existiert. Sie erkennen die Bundesrepublik und ihre Gesetze nicht an.

    Warum gibt es drei Hauptverfahren gegen angeklagte "Reichsbürger"?

    Weil der Fall um Prinz Reuß und die "Reichsbürger" so groß ist, reicht ein Oberlandesgericht nicht aus. Deshalb werden die Beschuldigten auf drei Hauptverfahren aufgeteilt. Die ersten beiden haben bereits vor einigen Wochen begonnen.

    Die Verhandlungen sind komplex und aufwendig. Jedes Gericht muss seine eigenen Beweise erheben und zu seinem eigenen Urteil kommen. Am Ende seien grundsätzlich auch sich widersprechende Urteile möglich. Es wird erwartet, dass die Bundesanwaltschaft als Anklagebehörde den Überblick behält und die Fäden zusammenhält.

    Reichsbürger-Prozess: Worum geht es in den einzelnen Verfahren?

    Stuttgart:

    In Stuttgart hat die Bundesanwaltschaft neun mutmaßliche Mitglieder des "militärischen Arms" der Gruppe angeklagt. Der Prozess hat bereits am 29. April begonnen. Die Angeklagten sollen sich im Jahr 2022 der Vereinigung angeschlossen und sich für den "militärischen Arm" engagiert haben. Dieser habe die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchsetzen sollen. Er hätte bereits mit dem Aufbau eines deutschlandweiten Systems von mehr als 280 militärisch organisierten Verbänden, sogenannten Heimatschutzkompanien, begonnen. Die "Heimatschutzkompanie Nr. 221" soll für den Bereich der Gebiete Freudenstadt und Tübingen zuständig gewesen sein.

    Unter den Angeklagten ist auch ein Mann, der am 22. März 2023 bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Reutlingen mehrfach mit einem halbautomatischen Schnellfeuergewehr auf Polizisten eines Spezialeinsatz­kommandos geschossen haben soll. Dabei seien zwei Beamte verletzt worden.

    Frankfurt:

    In Frankfurt stehen seit dem 21. Mai Reuß und die mutmaßlichen Rädelsführer vor Gericht – darunter Ex-Militärs und Malsack-Winkemann. Ursprünglich sollten es zehn Angeklagte in Frankfurt sein, ein Mann starb allerdings noch vor Beginn der Hauptverhandlung.

    Den neun Beschuldigten wird vorgeworfen, Mitglieder in einer terroristischen Vereinigung gewesen zu sein, beziehungsweise diese unterstützt zu haben. Einer von ihnen soll zudem gegen das Waffengesetz verstoßen haben. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete soll ihre Zugangsrechte zum Bundestag genutzt haben, um dort drei weitere Gruppenmitglieder einzuschleusen und Liegenschaften auszukundschaften.

    München:

    Das Hauptverfahren in München hat am Dienstag (18. Juni) begonnen. Dort soll acht mutmaßlichen Mitgliedern der Gruppe der Prozess gemacht werden. Ihnen wird die Mitgliedschaft – teils auch die Gründung – in einer terroristischen Vereinigung und die Vorbereitung eines sogenannten hochverräterischen Unternehmens vorgeworfen. Zudem müssen sich vier Männer wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat verantworten, einer zudem wegen Verstößen gegen das Waffengesetz. Allen Angeklagten in München drohen langjährige Haftstrafen.

    Mehrere der in München Angeklagten sollen dem sogenannten "Rat" der Vereinigung angehört haben – ähnlich einem Kabinett einer rechtmäßigen Regierung – oder dem Führungsstab des "militärischen Arms". Bei einem von ihnen soll auch einst die Gründungsversammlung stattgefunden haben. Laut Anklage waren mehrere der Angeklagten frühzeitig in die Planungen für ein gewaltsames Eindringen in den Bundestag eingebunden oder sollten selbst daran teilnehmen und wurden hierfür ausgerüstet. Das Gericht hat für die Hauptverhandlung zunächst insgesamt 55 Termine bestimmt, aktuell bis Ende Januar 2025. (mit dpa)

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