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Radaktivist in Paris von SUV tödlich überrollt: Stadt in Aufruhr

Frankreich

Radaktivist kämpft gegen Autos in Paris und stirbt nach Zusammenprall mit SUV

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    SUVs vor dem Arc de Triomphe in Paris. Die Bürgermeisterin Anne Hidalgo will sie vom Stadtzentrum fernhalten.
    SUVs vor dem Arc de Triomphe in Paris. Die Bürgermeisterin Anne Hidalgo will sie vom Stadtzentrum fernhalten. Foto: Michel Euler, ap/dpa

    Paul Varry war ein überzeugter Radfahrer, der sich in einem Verein engagierte, damit Städte wie Paris oder der Vorort Saint-Ouen, wo er lebte, fahrradfreundlicher werden. Umso mehr hat sein Tod in der vergangenen Woche Frankreich erschüttert – ist er doch durch das gestorben, was er seit Jahren bekämpfte: schwere Autos in der Stadt, die viel Platz im öffentlichen Raum beanspruchen.

    Der 27-Jährige war am Dienstagabend mit dem Rad auf dem viel befahrenen Boulevard des Malesherbes in der französischen Hauptstadt unterwegs, als er in einen Konflikt mit dem Fahrer eines großen Geländewagens geriet, der auf dem Radweg fuhr. Zeugen zufolge schlug der junge Mann mit der Faust auf die Motorhaube des Wagens und rief, dieser klemme seinen Fuß ein. Der Fahrer lenkte das Auto leicht zurück, gab dann Gas und überrollte Paul Varry. Dieser starb. Passanten, die die Szene miterlebten, zeigten sich schockiert. „Ich habe seinen Kopf unter dem Reifen gesehen, das ist traumatisierend“, sagte ein anonymer Augenzeuge im französischen Radio. „Wer derart beschleunigt, will dem anderen Schaden zufügen. Niemand kann das überleben.“ Auch die Mutter und der Bruder des Getöteten sagten, dessen Körper weise schwere Verletzungen als Zeichen der Gewalt auf, die ihm angetan wurde.

    Der Fahrer des SUV in Paris verteidigt sich

    Der Fahrer, der 52-jährige Ariel B., sagte aus, er habe seine 17-jährige Tochter zu einem Arzttermin gefahren und Varry keinesfalls das Leben nehmen wollen. Sein Anwalt sprach von einem „möglichen Kontrollverlust oder Fahrfehler durch den vom Streit verursachten Stress“. Doch mehrere Zeugen belasteten ihn und sagten aus, er habe unmittelbar vor dem Drama mehrere schwere Verkehrsdelikte begangen. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen wegen vorsätzlicher Tötung ein.

    Viele sehen den Tod von Paul Varry nicht als simplen tragischen Unfall, sondern als Folge der großen Spannungen zwischen Verkehrsteilnehmern in Paris und des unerbittlichen Kampfes, den sich Rad- und Autofahrer auf den Straßen liefern. Am Wochenende demonstrierten bei mehr als 300 Kundgebungen in ganz Frankreich rund 20.000 Menschen gegen gewalttätiges Verhalten im Straßenverkehr. Nachdem mehrere Radfahrer-Vereine mehr Sanktionen gegenüber brutalen Autonutzern und konkrete Maßnahmen für die Sicherheit der schwächeren Verkehrsteilnehmer eingefordert hatten, empfing sie der neue Transportminister François Durovray in dieser Woche. In der Folge kündigte er eine Mission an, die konkrete Verbesserungsvorschläge ausarbeiten soll.

    Ersthelfer und Polizei waren schnell am Tatort, nachdem ein Radfahrer an der Ecke Boulevard Malesherbes und Rue Boissy d'Anglas in Paris von einem Geländewagen überfahren worden war.
    Ersthelfer und Polizei waren schnell am Tatort, nachdem ein Radfahrer an der Ecke Boulevard Malesherbes und Rue Boissy d'Anglas in Paris von einem Geländewagen überfahren worden war. Foto: Veronique Lagarde, afp/dpa

    Das Gespräch und die Mission bezeichnete Olivier Schneider, Präsident der Rad-Vereinigung FUB, als „riesigen Fortschritt“: „Der Minister hat den Unterschied zwischen Unsicherheit auf der Straße und motorisierter Gewalt, wo Hass im Spiel ist, anerkannt.“ Nun erhoffe man sich, dass Gewalt am Steuer künftig sanktioniert wird und der Ausbau der Radwege voranschreitet, um den Raum für alle Verkehrsteilnehmer besser einzuteilen. Außerdem sei es wichtig, die für den „Rad-Plan“ der Regierung vorgesehenen Gelder in Höhe von 250 Millionen Euro pro Jahr freizugeben; sie wurden mit der Auflösung der französischen Nationalversammlung im Sommer eingefroren. Angesichts des aktuellen Sparzwangs herrscht Unklarheit über die Zukunft dieses ambitionierten Plans.

    In Paris bemüht sich die Bürgermeisterin Anne Hidalgo seit zehn Jahren um eine Transformation hin zur Fahrradstadt. Kritikerinnen und Kritiker werfen ihr eine ideologische „Anti-Auto-Politik“ vor, nachdem sie unter anderem beide unteren Uferstraßen der Seine sperren und zu Flaniermeilen ausbauen ließ, Tempolimits einführte, Parkplätze für Autos in solche für Räder umwandelte. Seit 1. Oktober wurden die Parkgebühren für schwere Autos, die nicht Anliegern gehören, verdreifacht. Demnächst sollen die ersten vier Arrondissements im Stadtkern, zu denen die beiden Seine-Inseln, aber auch das Marais-Viertel gehören, „Zonen begrenzten Verkehrs“ werden, in die nur noch Anwohnende, Taxis, Kranken- und Feuerwehrwagen, Arbeitende oder Gäste mit schriftlicher Genehmigung fahren dürfen. Zum Tod von Paul Varry unter „furchtbaren Umständen“ äußerte sich Hidalgo erschüttert. Sie will einen Ort in Paris nach dem jungen Radfahrer benennen.

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