Eine Mutter, die mit drei kleinen Kindern in das Gebiet des Islamischen Staates reist und dort ihrem Mann und IS-Kämpfer den Haushalt führt - ist das eine Terroristin? Darüber verhandelt unter strengen Sicherheitsvorkehrungen seit Montag der 3. Strafsenat des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg. Die Bundesanwaltschaft wirft der 35-jährigen Deutsch-Tunesierin Omaima A. nicht nur die Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung vor, sondern auch einen Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz, weil sie ein Sturmgewehr besessen habe.
Witwe von Rapper Deso Dogg wird Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen
Die gebürtige Hamburgerin wird ferner des Menschenhandels und eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit beschuldigt, weil sie eine 13-jährige Jesidin zeitweise als Sklavin in ihrem Haushalt gehalten haben soll. Omaima A. lebte mit ihren Kindern - im Alter von damals acht und zwei Jahren sowie acht Monaten - ab Januar 2015 in der IS-Hochburg Rakka.
Indem sie die Kinder in ein Kampfgebiet mitnahm, habe sie deren körperliche und psychische Entwicklung gefährdet und ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht gröblich verletzt, heißt es in der Anklage. Per E-Mail habe sie Frauen in Deutschland aufgefordert, sich ebenfalls der Terrororganisation anzuschließen.
Rapper Cuspert hatte sich 2014 dem IS angeschlossen
Die älteste Tochter stammte aus einer geschiedenen Ehe, die beiden anderen Kinder von ihrem Ehemann, der aus Frankfurt stammte und sich dem IS-angeschlossen hatte. Nach dem Tod dieses Mannes bei einem Luftangriff habe sie dessen Freund Denis Cuspert geheiratet, der als Rapper unter dem Namen Deso Dogg bekannt war, und sei mit ihm in die syrische Stadt Homs gegangen. Cuspert hatte sich 2014 dem IS angeschlossen. In den USA stand er auf der Terrorliste. Der frühere Rapper wurde Medienberichten zufolge im Januar 2018 in Syrien ebenfalls bei einem Luftangriff getötet.
Zum Auftakt ihres Strafprozesses ließ die Witwe die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft durch ihren Anwalt zurückweisen. Sie habe ihre Kinder betreut und den Haushalt geführt, erklärte der Anwalt Tarig Elobied. Das sei ihre Pflicht gewesen. Der Anwalt nannte es "absurd", daraus eine kriminelle Tat zu konstruieren. Omaima A. hätte ihre Kinder vernachlässigen oder verhungern lassen müssen, um sich nach der Logik der Anklage nicht strafbar zu machen. Die Bundesanwaltschaft wolle aus politischen Motiven jeden Aufenthalt im früheren IS-Gebiet kriminalisieren. Auch habe sie keine Sklavin gehalten. Sie habe der 13-jährigen keine Aufträge im Haushalt erteilt und im Gegenteil ihr gesagt, dass sie nicht arbeiten müsse.
Omaima A. lebte nach ihrer Rückkehr drei Jahre unbehelligt in Hamburg
Am ersten Verhandlungstag wurde ein Video ins Verfahren eingeführt, das eine arabische Journalistin vor einem Jahr erstellt hatte. Ihr war das Mobiltelefon der Angeklagten mit Fotos und diversen Unterlagen und Chat-Protokollen in die Hände gefallen. Die Journalistin hatte daraufhin recherchiert, dass Omaima A. nach ihrer Rückkehr aus dem IS-Gebiet im August 2016 und der Geburt ihres vierten Kindes unbehelligt von Strafverfolgung in Hamburg lebte, sich wieder westlich kleidete und einem Beruf nachging. Das Video ist im Internet abrufbar und erregte die Aufmerksamkeit der Hamburger Behörden. Drei Jahre nach ihrer Rückkehr wurde Omaima A. im vergangenen September in Hamburg festgenommen. Seither sitzt sie in Untersuchungshaft.
Für den Prozess sind bis Juli jeweils zwei Verhandlungstermin pro Woche anberaumt. Wegen der Sicherheitsbestimmungen und der Corona-Krise können nur sechs Zuhörer der Verhandlung folgen; für Journalisten wird der Ton in einen anderen Raum übertragen. (dpa)
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