Wandern im Trentino ist nicht immer eine harmlose Angelegenheit – weder für Menschen noch für Braunbären. In der Nacht zum Sonntag schoss die staatliche Forstwache in der Nähe von Trient den Braunbären M91 ab. Der Präsident der norditalienischen Provinz, Maurizio Fugatti, hatte erst am Freitagnachmittag ein entsprechendes Dekret unterschrieben und damit Tierschützern keine Chance für eine Beschwerde vor Gericht gelassen. Etwas mehr als 24 Stunden später war das drei Jahre alte Männchen tot. M91 ist bereits der dritte wegen seiner „Gefährlichkeit“ abgeschossene Braunbär in diesem Jahr in der italienischen Urlaubsregion Trentino.
Im April war der Bär einem Wanderer in den Wäldern bei Malfein mehr als 15 Minuten lang gefolgt. Dieser hatte dabei fast alles falsch gemacht, was man bei einer Begegnung mit Braunbären falsch machen kann. Der Wanderer warf Steine nach dem Tier, rannte davon und fasste einen Tannenzweig, um das Tier einzuschüchtern. Experten zufolge sind hingegen Ruhe und langsame Bewegungen geboten, um den Bären nicht zu provozieren. M91, der sich dem Mann bis auf zwei Meter genähert haben soll, ließ nach gut 15 Minuten von dem Wanderer ab und griff auch nicht an. Erst ein halbes Jahr später ging der Bär der Forstwache in die Falle.
Die Überwachung ergab, dass sich Bär M91 16-mal Häusern in der Paganella-Hochebene „gefährlich“ genähert hatte
Die Beamten statteten das Tier mit einem GPS-Sender aus. Die Überwachung ergab, dass sich M91 seither 16-mal Häusern in der Paganella-Hochebene „gefährlich“ genähert hatte. Mehrere Male habe das Tier Biomüll-Tonnen durchstöbert. Die Forstwache hatte die Bevölkerung deshalb aufgefordert, den Müll im Inneren aufzubewahren. „Die Sicherheit der Personen steht an erster Stelle, wenn ein Braunbär zu zutraulich wird, muss er abgeschossen werden“, begründete Provinzchef Fugatti seine vom staatlichen Umweltschutz- und Forschungsinstitut Ispra genehmigte Entscheidung. Tierschützer hingegen protestierten vehement.
Fugatti habe mit seinem am Freitagabend veröffentlichten Dekret absichtlich eine Beschwerde vor Gericht verhindern wollen, behauptete die bekannte Umweltpolitikerin Michela Vittoria Brambilla. Man werde dennoch gegen Fugatti wegen „Erschießung von Tieren“ klagen. „Wildtiere sind unverzichtbares und schützenswertes Gut des Staates“, fügte sie hinzu. Andere Organisationen beklagten, M91 sei feige im Winterschlaf erlegt worden. Mehrfach wurde betont, die Provinzverwaltung habe immer noch nicht alle Gemeinden mit sogenannten Anti-Bären-Mülltonnen ausgestattet, die von den Tieren nicht zu öffnen sind. Die Unmöglichkeit, Reste zu finden, würde die Tiere von den Menschen fernhalten, hieß es.
M91 ist bereits der dritte von der Verwaltung getötete Bär in diesem Jahr. Im Februar wurde das Männchen M90 in Folge eines Fugatti-Dekrets von der Forstwache erlegt. Einen Monat zuvor hatte das Tier zwei Wanderer verfolgt. Auch ein 22 Jahre altes Weibchen mit Namen KJ1 wurde getötet, nachdem es im Juli einen Wanderer Nahe der Ortschaft Dro verletzt hatte. Bereits im März hatte die Provinzverwaltung ein Gesetz verabschiedet, demzufolge jährlich bis zu acht Braunbären im Trentino abgeschossen werden können. Tierschützer organisierten Demonstrationen.
Die Stimmung in der Bevölkerung war nach dem Tod eines 26 Jahre alten Joggers im April 2023 gekippt
Die Stimmung in der Bevölkerung war nach dem Tod eines 26 Jahre alten Joggers gekippt. Er war im April 2023 von der Bärin JJ4, der Schwester des 2006 bei Bayrischzell abgeschossenen Problembären Bruno, tödlich verletzt worden. Auch JJ4 sollte erlegt werden, das Verwaltungsgericht verhinderte jedoch ihren Abschuss. Das Tier soll demnächst im Alternativen Wolfs- und Bärenpark Schwarzwald aufgenommen werden. Erst im Oktober hatten sich bei einer Befragung knapp 8000 Menschen aus 13 Gemeinden im Val di Sole gegen die Bärenbevölkerung im Trentino ausgesprochen und sie als „Gefahr für die Sicherheit“ eingestuft.
Schätzungen zufolge leben bis zu 120 Braunbären im Adamello-Brenta-Gebiet. Im Rahmen des Life-Ursus-Projekts wurden zwischen Ende der 1990er Jahre und 2004 zehn Braunbären aus Slowenien im Trentino wieder angesiedelt. Gerechnet wurde mit einer Vermehrung auf maximal 50 Exemplare innerhalb von 40 Jahren.
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