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Präsidentschaftswahl: USA-Experte: "Donald Trump kann die US-Wahl gewinnen"

Präsidentschaftswahl

USA-Experte: "Donald Trump kann die US-Wahl gewinnen"

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    Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Donald Trump, liegt in den jüngsten Umfragen noch hinter Hillary Clinton zurück.
    Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner, Donald Trump, liegt in den jüngsten Umfragen noch hinter Hillary Clinton zurück. Foto: Justin Lane (dpa)

    Herr Professor Jäger, lange Zeit galt es als undenkbar, dass Donald Trump US-Präsident werden könnte. Jetzt haben ihn die Republikaner endgültig zum Kandidaten gekürt. Wie lässt sich der unerwartete Erfolg von Trump bei den Amerikanern erklären?

    Thomas Jäger: "Was bei Donald Trump alle falsch eingeschätzt haben, ist, dass er einer Frustration insbesondere in der weißen Wählerschaft eine Stimme gegeben hat. Diese Frustration richtet sich gegen die gesamte Richtung, in die sich das Land entwickelt hat. Trump verkörpert geradezu diese Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft. Die Bevölkerung steht vor einem Riesenumbruch: Aus den über 60 Prozent Weißen wird in absehbarer Zeit die größte Minderheit im Land. Ihnen wird langsam bewusst, dass sie dann nicht mehr die Mehrheit sind in einem weißen Land, das bald nur noch aus Minderheiten besteht. Das führt in der großen Gruppe der Weißen zu einer Reihe von Befürchtungen, die sich Trump politisch zunutze macht."

    Wie tief gespalten ist die amerikanische Gesellschaft?

    Jäger: "Die Amerikaner betrachten sich heute fast immer als Bindestrich-Amerikaner: Sie ordnen sich oder die anderen immer einer Bevölkerungsgruppe zu – oder wie die Amerikaner sagen, einer Rasse. Da gibt es die Weißen, die Schwarzen, die Hispanics, die Asiaten und so weiter. Die gesellschaftliche Entwicklung hat diese Trennung immer mehr verfestigt. So ist die Zahl der Ehen über diese ethnischen Grenzen hinweg überschaubar gering. Die Menschen identifizieren sich mehr mit ihrer Gruppe als mit dem ganzen Land. Und derzeit wachsen die Spannungen."

    Ist die jüngste Zuspitzung der Krise nach Polizeigewalt gegen Schwarze und tödlichen Schüssen auf weiße Polizisten dabei eine Momentaufnahme?

    Jäger: "Das ist mehr als nur eine Momentaufnahme. Man fühlt sich in die siebziger Jahre zurückversetzt. Die Probleme gibt es seit Jahrzehnten. Zwischen Schwarzen und Weißen herrschen noch immer starke Ungleichheiten. Das Durchschnittseinkommen der Weißen liegt bei gut 60000 Dollar, das der Schwarzen bei 30000 Dollar. Schwarze werden öfter von der Polizei kontrolliert und öfter Opfer von

    Welche Folgen hat das für den Wahlkampf?

    Jäger: "Es ist eine große Gefahr für Barack Obama, dass es auf den letzten Metern seiner Präsidentschaft zu einer echten Eskalation kommt. Viele Schwarze stellen sich im Moment die Frage: Ist das amerikanische System reformierbar? Oder braucht man Gewalt und Revolution? Und auf der anderen Seite war es der weiße demokratische Kandidat Bernie Sanders, der den Begriff Revolution in Amerika politisch salonfähig gemacht hat: Sanders läuft seit einem Jahr durch das Land mit der Parole: Wir brauchen eine politische Revolution. Das war früher in den USA undenkbar."

    "Das amerikanische Fernsehen ist Meinungsfernsehen"

    Ist es überhaupt möglich, dass ein Präsident diese gespaltene Gesellschaft wieder einen kann? Das war ja eine Hoffnung, die man mit Barack Obama verbunden hatte…

    Jäger: "Die Lage hat sich verschlimmert, weil sich gerade diese Hoffnung als falsch erwiesen hat. Als Obama ins Amt kam, dachten die Schwarzen, jetzt bricht eine gute Zeit für uns an, der Präsident macht etwas für uns. Er wird sich darum kümmern, dass sich unsere Lage verbessert. Doch es ist nichts passiert in dieser Zeit: Die Einkommen steigen nicht, das Justizsystem wurde nicht reformiert. Obama hat hier – wie in vielen anderen Bereichen – politisch handwerklich schlicht und ergreifend versagt. Was man tun müsste, weiß man schon seit den sechziger Jahren: Man müsste Bildungsprogramme auflegen, damit sich Perspektivlosigkeit nicht vererbt. Man muss die Gettoisierung aufbrechen. Städte oder Stadtteile dürften nicht zu über 80 Prozent und mehr von einer Bevölkerungsgruppe bewohnt sein."

    Auch die weiße Wählerschaft ist tief gespalten. Warum ist die politische Stimmung in den USA so vergiftet?

    Jäger: "Das hat viel mit den Medien in den USA zu tun. Das amerikanische Fernsehen ist Meinungsfernsehen. Es geht überhaupt nicht darum, etwas sachlich darzustellen. Der Sender Fox hat die Meinungsnachrichten erfunden und wurde damit der erfolgreichste Nachrichtensender. Was Fox-News auf der rechten Seite ist, macht auf der linken MSNBC. Es geht dabei nur darum, die Zuschauer in ihrem Weltbild und ihrer Meinung zu bestärken. Das Gleiche machen viele Radiostationen, die für Berufspendler eine wichtige Informationsquelle sind. Man kann seit Jahren beobachten, wie das dazu führt, dass die Gesellschaft überhaupt keine gemeinsame Wirklichkeit mehr kennt: Die einen sehen die Reform der Krankenversicherung nur als Segen, die anderen als Teufelszeug. Dazwischen gibt es keine sachliche Ebene mehr."

    Alles, was Sie sagen, hört sich verdammt schwierig für Hillary Clinton an, wenn sie diese Wahl gewinnen will…

    Jäger: "Das wird es auch. Schon die Vorwahlen waren für Hillary Clinton keine Krönungsmesse, sondern ein unerwartet enges Rennen. Und es wird auch sehr eng bleiben. Sie liegt momentan zwar in den wichtigen Bundesstaaten in allen Umfragen vorne. Aber ihr Vorsprung vor Trump ist mit 0,8 oder 3,2 Prozent so gering, dass sie darauf nicht bauen kann."

    Das heißt, Sie halten es für möglich, dass Donald Trump die Wahlen gewinnt und nächster Präsident wird?

    Jäger: "Ja. Ich halte das Rennen für offen. Donald Trump kann die Wahl gewinnen. Es kommt wie immer auf wenige Bundesstaaten an. Es gibt Staaten, die wählen immer republikanisch, und andere, die wählen immer demokratisch, egal wer Kandidat ist. Die kann man jetzt schon in die Körbchen von Trump und Clinton legen. Und dann gibt es die sogenannten „Swing States“, wo es spannend wird: Das sind insbesondere Florida, Ohio und inzwischen auch Pennsylvania oder Michigan und andere Bundesstaaten. Hier wird die Wahl entschieden. Und hier wird es knapp. So hat Trump bewiesen, wie viele Menschen er in

    "Für Clinton ist es ein Problem, dass sie so lange in der Politik ist"

    Punktet Clinton nicht mit ihrer politischen Erfahrung gegen Trump?

    Jäger: "Das Problem ist, dass viele Amerikaner niemand mit politischer Erfahrung wollen. Die Stimmung ist so, dass sich das Land nach etwas Neuem sehnt. Für Clinton ist es ein Problem, dass sie so lange in der Politik ist: Sie hat zu fast jedem Thema schon mal etwas gesagt, das man ihr heute vorhalten kann. Schon als Obama bei den Demokraten 2008 Clinton die Präsidentschaftskandidatur weggeschnappt hat, hielt er ihr vor, dass sie 2002 für den Irak-Krieg gestimmt hatte. Trump versucht Clinton in denselben Punkten anzugreifen wie damals Obama. Clintons Team hat bislang keine echte Strategie gegen Trump gefunden. Sie wissen nicht, wie sie ihn packen sollen. Viele Amerikaner empfinden Clinton als kaltherzig, kaltschnäuzig, karrierebesessen und nicht für vertrauenswürdig. Genau wie Trump. Aber, wie gesagt, momentan liegt Clinton vorn."

    Was würde ein US-Präsident Donald Trump für Deutschland und die Welt bedeuten?

    Jäger: "Man weiß es schlicht nicht. Trump hat inzwischen so viele Gesichter gezeigt, denen nur eines gemein ist: dass er von einem unbändigen Ego getragen wird. Aber das hat er mit dem derzeitigen Präsidenten gemeinsam. So wie sich Trump für den Klügsten hält, hält sich Obama für den Klügsten. Das Problem ist, dass es bei Trump eine wirklich offene Frage ist, was politisch von ihm zu erwarten ist. Man weiß nicht, ob er nur Rollen einnimmt, etwa wenn er gegen Freihandelsabkommen wettert und Strafzölle fordert. Wenn Trump seine protektionistische Wirtschaftspolitik wirklich ernst meint, wäre das für die Bundesrepublik eine Katastrophe. Deutschland ist als Exportnation besonders an freiem Welthandel interessiert. Darauf bauen unsere Wirtschaft und unser Wohlstand auf."

    Der USA-Experte Thomas Jäger, 55, lehrt als Politik-Professor Außenpolitik und Internationale Politik an der Universität zu Köln.

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