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"Polizeiruf"-Kolumne: Tod einer Influencerin: So wird der neue "Polizeiruf 110"

"Polizeiruf"-Kolumne

Tod einer Influencerin: So wird der neue "Polizeiruf 110"

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    Ronald Hinzpeter ist einer von vier Krimikritikern und -kritikerinnen unserer Redaktion.
    Ronald Hinzpeter ist einer von vier Krimikritikern und -kritikerinnen unserer Redaktion. Foto: Montage: AZ

    Ist es bittere Ironie des Schicksals, dass die aktuelle Folge von "Polizeiruf 110" (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) "Unsterblich" heißt? Oder ist es eine filmische Verbeugung vor zwei Schauspielern, die nach den Dreharbeiten gestorben sind: der knorrige Hendrik Arnst, der den hinfälligen Bewohner eines Altenheims spielt, und Pablo Grant, der dunkelhäutige Kriminalassistent bei der Magdeburger Kripo, der nur 26 Jahre alt wurde und hier noch einmal zeigen kann, welch wichtiger Teil des Ermittlerteams er war. Diese beiden Toten sind echt, doch was in dieser Folge echt ist und was falsch, entblättert sich nur allmählich.

    "Polizeiruf 110: Unsterblich": Eine Influencerin im Shitstorm

    Im Mittelpunkt steht die erfolgreiche Influencerin Aalisha Mansour (Hannah Gharib), die durch das Kunststoffdach eines Einkaufszentrums kracht und zerschmettert ihr Leben aushaucht. Wie sich schnell herausstellt, stand sie zuletzt im Zentrum eines gewaltigen Shitstorms, denn sie hatte ihren 1,5 Millionen Followern ein obskures Schlankheitsmittel empfohlen und damit angeblich acht Kilo abgenommen. In Wirklichkeit bewirkte das nicht der beworbene Wunderstoff, sondern der regelmäßige Finger im Hals.

    Brasch (Claudia Michelsen) und Lemp (Felix Vörtler) müssen diesmal in der Scheinwelt der Influencer ermitteln – was den alten Lemp sichtlich überfordert.
    Brasch (Claudia Michelsen) und Lemp (Felix Vörtler) müssen diesmal in der Scheinwelt der Influencer ermitteln – was den alten Lemp sichtlich überfordert. Foto: Stefan Erhard/MDR/filmpool fiction/ARD, dpa

    War das der Selbstmord einer Verzweifelten, der immerhin dazu führte, dass plötzlich ein unverhoffter Zuneigungs- und Mitleidssturm über die Tote hereinbricht – und sie vielleicht unsterblich macht? Doch das Drehbuch von Michael Gantenberg legt noch eine andere Fährte, die mit Vorurteilen gepflastert ist, denn der Bruder Mahdi (Mo Issa) verabscheute offenbar ihren öffentlichen Lebensstil. Da scheint der Weg zum Ehrenmord in einer arabischstämmigen Familie nicht weit. Aber das wäre zu einfach und auch ein bisschen zu billig.

    Vielmehr entfaltet sich hier ein Netz aus Lügen, nicht nur in der glitzernden Influencer-Scheinwelt, sondern auch in der Wirklichkeit, die an einen spektakulären Gerichtsfall erinnert, der gerade in Bayern verhandelt wird. Mehr zu schreiben, wäre ein echter Spoiler und könnte zu Recht mit einem Shitstorm bestraft werden. Jedenfalls wird hier heftig und raffiniert manipuliert.

    Claudia Michelsen muss im "Polizeiruf" fast alles alleine machen

    "Unsterblich" knüpft an die starke vorangegangene Folge "Du gehörst mir" an, in der Kriminalrat Lemp (Felix Vörtler) von einer Nachbarin gekidnappt und beinahe um die Ecke gebracht wurde. Daran hat er körperlich wie geistig schwer zu knabbern und seine Kollegin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) muss mal wieder fast alles alleine machen – was sie wie immer hervorragend tut, mit Mitgefühl, gesundem Menschenverstand und diesem Blick aus Mitgefühl, Skepsis und einem Hauch innerer Verzweiflung. Sie ist konstant die vielleicht beste Sonntagabend-Ermittlerin. Die Geschichte ist gut erzählt, mit interessanten Charakteren und einer Story, die von der irren Wirklichkeit gar nicht mal so weit entfernt ist. Dass am Ende nicht alles wieder gut ist, ist gut so.

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