Eigentlich ist das Thema schon recht alt. Die Kinks sangen 1970 in "Lola" über die verschwiegene Welt der Trans-Bars, von einer "konfusen, verwirrten und vermischten Welt", in der "girls will be boys and boys will be girls", also Mädchen zu Buben werden und umgekehrt. Damals ein Tabubruch, aber ein Welthit. Und heute? Wird das Thema Trans-Identität zur besten Sendezeit als Krimi verhandelt: Der "Polizeiruf 110" aus Rostock beleuchtet das Drama von Transmann "Daniel A." (Sonntag, 20.15, ARD) nicht grell und Pop-bunt, sondern in sehr gedämpften Farben und mit einem beeindruckenden Hauptdarsteller.
"Polizeiruf"-Hauptdarsteller Jonathan Perleth ist selber ein Transmann
Jonathan Perleth, der von der Schauspielschule weg für diesen Film engagiert wurde, weiß nur zu gut, was er da spielt, denn er ist selber ein Transmann. Während der Dreharbeiten hatte er gerade begonnen, sich per Hormontherapie von der Frau zum Mann zu wandeln, weshalb er im "Polizeiruf" noch recht weiblich aussieht. Das macht die Folge ausgesprochen glaubhaft, denn im Mittelpunkt steht jener Daniel, der zu Hause und für fast alle anderen Menschen noch als Daniela auftritt.
Er lebt in einer Familie mit einer Schwester, die mit 15 gerade ein Kind bekommen hat, und einem Vater, der von der Welt überfordert ist. Doch als Bereitschaftspolizist markiert er den harten Hund. Der sollte tunlichst nichts davon erfahren, dass die große Tochter nicht so ist, wie sie scheint. Dann kommt eine Frau zu Tode, mit der sich Daniel kurz zuvor noch getroffen hatte, er wird gesucht. Doch obwohl er unschuldig ist, will er sein Geheimnis mit allen Mitteln bewahren. So kommen Ereignisse in Gang, die letztlich genau dieses Geheimnis bedrohen.
Beim "Polizeiruf" Rostock fehlt das Raubein Buckow
Jonathan Perleth trägt mit seiner Darstellung eines zerrissenen Menschen diese Episode fast im Alleingang, denn das Ermittlerteam ist ebenfalls eine konfuse, verwirrte, vermischte Welt geworden, nachdem Charly Hübner alias Buckow den Rostockern den Rücken gekehrt hat. Den Verlust dieses einzelgängerischen, ruppigen Kraftkerls hat der Rostocker "Polizeiruf 110", nun ja, nicht verkraftet. Lina Beckmann muss als Buckows Halbschwester Melly Böwe die neue Kommissarin im Revier geben und der wunderbar biestigen Katrin König (Anneke Kim Sarnau) Paroli bieten. Daraus wird zwar nicht ganz der von den männlichen Kollegen befürchtete oder besser feixend erhoffte Zickenkrieg, aber ohne den Rohling Buckow fehlt dem Team eine Menge von seinem früheren Charme. Auch wenn Frau König noch einen Zacken krätziger auftritt als früher: Das Raubein Buckow lässt sich nicht ersetzen. Zwar ist die Transgender-Geschichte des "Daniel A." weder belehrend noch klischeehaft erzählt und von Jonathan Perleth mutig und eindringlich gespielt, doch das Polizeiteam hat einen Teil seiner Seele verloren. Schade.