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Polizeiruf 110: "Polizeiruf 110" aus der Lausitz: Urweltechse in der Dämmerung

Polizeiruf 110

"Polizeiruf 110" aus der Lausitz: Urweltechse in der Dämmerung

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    "Polizeiruf 110" aus der Lausitz: Urweltechse in der Dämmerung
    "Polizeiruf 110" aus der Lausitz: Urweltechse in der Dämmerung Foto: Montage AZ

    Große Stars gibt es viele, der vielleicht größte von allen nennt sich schlicht F60. Er überragt nicht nur die vernarbte Tagebau-Landschaft in der Lausitz, sondern auch diesen "Polizeiruf 110" (Sonntag, 20.15, ARD). In der Folge "Abgrund" ist der gigantische ausrangierte Bagger der wahre Star. Er war mal das größte bewegliche Arbeitsgerät der Welt und rostet nun vor sich hin. Er steht für die untergehende Welt des Braunkohletagebaus und symbolisch auch ein bisschen für den "Polizeiruf" aus dem deutsch-polnischen Grenzland. Der verliert mit dieser Folge schon die zweite tragende Figur. Nach dem Abgang von Olga Lenski (Maria Simon) gibt auch ihr ehemaliger Partner Adam Raczek (Lucas Gregorowicz) seine Dienstmarke ab. Schade um diesen struppigen, verschlossenen Eigenbrötler-Bullen. Die nächste Folge muss etwas geschlechtsflexibler sein. Der kajalumrandete Kollege Vincent Ross (André Kaczmarzyk) muss sie allein auf seine schmalen Schultern nehmen, die diesmal von reichlich Kunstfell gewärmt werden. 

    Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz, l.) und Kommissaranwärter Vincent Ross (André Kaczmarczyk) suchen im Zusammenhang mit einem Gewaltverbrechen auf dem Gelände eines ehemaligen Braunkohletagebaus nach Spuren.
    Kriminalhauptkommissar Adam Raczek (Lucas Gregorowicz, l.) und Kommissaranwärter Vincent Ross (André Kaczmarczyk) suchen im Zusammenhang mit einem Gewaltverbrechen auf dem Gelände eines ehemaligen Braunkohletagebaus nach Spuren. Foto: Christoph Assmann, RBB, dpa

    Die Geschichte ist eine klassische, gute Serienkiller-Story, in der mehrere Frauen mit einer Plastiktüte über dem Kopf das Zeitliche segnen müssen. Sie spielt rund um den aufgegebenen Tagebau von Lichterfeld, über dem das gigantische Baggergestänge von F60 in die Landschaft ragt wie das Gerippe einer Urweltechse im paläontologischen Museum. Es ist nicht wirklich schön, doch im Dämmerlicht gefilmt, entwickelt es eine ungeahnte Schönheit, die Ästhetik des Verfalls. Und mit Verfall kennen sich die Menschen in dieser Gegend aus, die einst als Dunkeldeutschland galt und auch jetzt wenig Anheimelndes ausstrahlt. So ziemlich jeder, der in "Abgrund" eine tragende Rolle spielt, trägt dunkle Flecken auf der Seele. Je weiter die Handlung fortschreitet, desto mehr Grauen tritt zutage – bis zur finalen Verfolgungsjagd über die stählernen Knochen von F60.

    Sichtbar von schwerer Krankheit gekennzeichnet

    Einen würdigen Abgang verschaffen Regisseur Stephan Rick und die Autoren Peter Dommaschk und Ralf Leuther da dem Fahnder Raczek, den seine Arbeit ziemlich auf den Hund kommen lässt. Seelisch sieht es bei ihm offenbar ähnlich wüst aus wie im Tagebau. Wäre schade, wenn mit seinem Ausscheiden auch diese Gegend aus dem "Polizeiruf" verschwinden würde, denn hier wird immer wieder Deutschland von "ganz hinten" beleuchtet, mit Landstrichen, die auf keine Postkarte passen, aber trotzdem zu unserem Land gehören. Das hat seinen eigenen Reiz. Ach ja: Diese Folge war auch die letzte von Hauptmeister Neumann: Fritz Roth spielt hier, sichtbar von schwerer Krankheit gezeichnet, seine letzte Rolle in der Filmreihe. Im August starb er mit 67 Jahren. 

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