Muss nicht immer gleich die Welt untergehen, wenn sich der Ermittlungsgefährte oder die -gefährtin vom Acker macht. Adam Raczek von der „Polizeiruf“-Mannschaft in Frankfurt/Oder macht das ohne Olga Lenski gar nicht schlecht. Faber ohne Bönisch – das muss sich nach der tödlichen Kugel im Dortmunder „Tatort“ erst noch zeigen. Und nun eben König ohne Bukow beim „Polizeiruf 110“ in Rostock. Jahrelang haben sie sich angeekelt, geknistert hat es trotzdem, schließlich der befreiende Kuss (siehe Dortmund). Aus und vorbei nach zwölf Jahren.
Dass die erste Episode der Nach-Charly-Hübner-Ära mit dem sperrigen Titel „Seine Familie kann man sich nicht aussuchen“ (Sonntag, 20.15 Uhr, ARD) scheitert, liegt nicht an Königs unverarbeitetem Trennungsschmerz und auch nicht an der Neuen an ihrer Seite. Vielmehr tanzen ohne Not derart viele Figuren durchs Drehbuch, dass einem ganz schummrig wird.
Böwe passt so gar nicht zu König – aber das macht den Reiz aus
Aber erst mal zur Neuen. Lina Beckmann spielt die bisherige Bochumer Kommissarin Melly Böwe und ist – hübsche Randnotiz – im wirklichen Leben die Ehefrau von Charly Hübner. Dann doch einmal kurz die Hände überm Kopf zusammenschlagen: Im Film ist sie Bukows Halbschwester und hatte in einer Folge im März 2021 auch schon einen Auftritt. War so viel Konstruktion wirklich nötig?
Entscheidend ist auf dem Platz, besagt eine Fußball-Floskel, und da agiert Böwe uneitel, erfrischend, emotional. Passt so gar nicht zur eigenwilligen Katrin König (Anneke Kim Sarnau). Aber genau das macht den Reiz aus. König und Bukow waren sich halt doch sehr ähnlich. Also: Könnte was werden mit den beiden. Dann müssen aber die Drehbücher passen.
In diesem Krimi werden eine alleinerziehende Mutter und ihr Sohn tot in einem Einfamilienhaus gefunden. König ermittelt bei Jens Sommer, dem Ex-Mann und Vater, sowie bei der Familie Genth, die mit den Sommers befreundet war. Haben Jule und Holger Genth etwas mit dem Tod der Sommers zu tun – oder ihre Pflegekinder Emma und Max? Dann verschwindet der drogensüchtige Max (stark: Alessandro Schuster) und der Verdacht gegen ihn erhärtet sich.
Dieser "Polizeiruf" will zu viel und ertrinkt in dem Anspruch
Diese Truppe würde schon reichen. Doch dann geht’s erst richtig los. Es treten auf: zig frühere Liebespartner der Toten, ein religiös-fanatischer Stalker, eine Krebskranke, die Max aufnimmt. Unzählige Figuren, die hineinplatzen und wieder verschwinden. So wie Königs eigene Geschichte als Pflegekind oder Böwes persönliche Verbindung zu Max angetippt werden und wieder verpuffen. Der Film will zu viel und ertrinkt in dem Anspruch.
Am Ende will Böwe wieder nach Bochum zurück, doch ihr Wagen springt nicht an. Bleibt sie halt in Rostock. Wurde auch schon eleganter eingefädelt.