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Polit-Talks 2024: Kontroversen, Highlights und Skandale

TV-Kritik

Polit-Talks 2024: Quatsch mit Soße

Daniel Wirsching
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    Und dann fragte Caren Miosga den Spitzengrünen Robert Habeck, ob er lieber Bundeskanzler oder Literaturnobelpreisträger würde. Er fand, die Frage sei „Quatsch“.
    Und dann fragte Caren Miosga den Spitzengrünen Robert Habeck, ob er lieber Bundeskanzler oder Literaturnobelpreisträger würde. Er fand, die Frage sei „Quatsch“. Foto: NDR/Thomas Ernst

    Das Polit-Talk-Jahr 2024 hatte seine, nun ja, Momente. Etwa als kürzlich Kanzlerkandidat Robert Habeck von den Grünen am Tisch von Caren Miosga Platz und deren Fragen entgegennahm. Offensichtlich hielt er sie für „Quatsch“. Was er auch sagte: Die Frage, ob er, wäre er in einer „Zauberküche“ und hätte einen Wunsch frei, lieber Bundeskanzler oder Literaturnobelpreisträger würde, sei „Quatsch, `tschuldigung“. Miosga quälte ihn dennoch kulinarisch weiter. Schließlich setzt Habeck im begonnenen Wahlkampf nach dem Ampel-Bruch auf „Küchentischgespräche“ mit „normalen“ Bürgerinnen und Bürgern. Was also müsse er kochen, damit Olaf Scholz (SPD) und Christian Lindner (FDP) – man erinnere sich: Kanzler Scholz hatte seinen Finanzminister abserviert – wieder miteinander redeten, wollte sie wissen. Es war der Spaghetti-Bolognese-Moment des einst debattenprägenden Sonntagabendtalks: Quatsch mit Soße. Erwartbar, dass sämtliche ARD-, Rundfunkbeitrags- und Linksgrünkritiker des Landes aufjohlten und den Daumen senkten, „Caren Miosga zeigt, dass der ÖRR nicht reformierbar ist“.

    Zumindest am öffentlich-rechtlichen Polit-Talk wurde 2024 herum reformiert. Mit Caren Miosga gibt es seit Januar sogar eine neue Sonntagabend-Talkerin. Vor allem: Die Formate unterscheiden sich nun nach Jahren der Gleichförmigkeit, auch wenn die häufig selben Themen und Gäste dies schnell vergessen lassen. Miosga bittet zum Einzelgespräch, Lanz zur Einvernahme, Illner zum munteren Palaver, Klamroth zu einer Art Town-Hall-Diskussion, sprich: Rathaus-Versammlung. Ein überzeugendes Konzept für „Hart aber fair“ zwischen Üblich-Analogem und Innovativ-Digitalem hat er jedoch nach wie vor nicht gefunden. Ob das avisierte jüngere Publikum wirklich auf „Hart aber fair to go“ – wir bleiben beim Kulinarischen – gewartet hat, in dem er in der ARD Mediathek „die Highlights“ der aktuellen Folge kommentiert? Kommentiert wird kräftig auch bei Maischberger, und zwar von Journalisten oder Kabarettisten, die mitunter nicht ganz so viel Ahnung, dafür ganz viel Meinung haben. In der Abwechslung mit Einzel- oder als Streitgespräche angelegten Doppelinterviews bietet sie die meiste, genau, Abwechslung.

    War CSU-Generalsekretär Martin Huber bei Lanz, stellten sich regelmäßig Gefühle ein, von Fremdscham bis Mitleid.

    Jeder der großen Polit-Talks im Ersten und im ZDF hatte 2024 seine Momente, schwache wie starke. Nochmals Miosga: Die brachte den in die Krise(n) geratenen Kanzler immerhin zu der Aussage, er finde sich „etwas cooler“ als seinen Konkurrenten, den Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. Wenigstens musste Scholz dabei grinsen. Gar nicht lustig Miosgas gescheiterter Versuch, AfD-Chef Tino Chrupalla irgendwie zu stellen. Stattdessen weiß man jetzt zum Beispiel, dass ihm seine Frau Bargeld mitgibt. Höhe- oder eben Tiefpunkt der Sendung war der Dialog: „Ihr Vater war Malermeister.“ – „Ne, das ist falsch.“ – „Ach, Quatsch!“ Miosga lässt es menscheln, nur: Mehr „markuslanzsche Lust aufs Kleingedruckte“ würde ihr nicht schaden, wie ein Kritiker zu Recht bekrittelte.

    Lanz hat nach all den Jahren unverändert Lust aufs Kleingedruckte, so enervierend das sein kann. In seinen besten Momenten ringt er noch dem hartleibigsten Politprofi Wahrhaftiges ab. Würde er bloß nicht ständig jede Antwort zerhäckseln und die Rolle eines Gastgebers mit der eines Gastes verwechseln. Wie wäre es eigentlich mit der Formatidee: „Lanz interviewt sich selbst“? Andererseits: Die Talks sind Shows, und seine Sendung ist sehr, sehr unterhaltsam – für Leute, die – zugegeben – ein eigenwilliges Verständnis von Unterhaltsamkeit haben. Besonders, wenn CSU-Ministerpräsident Markus Söder bei ihm zu Gast war (Hat jemand gezählt, wie oft Lanz ihn fragte, ob er nicht vielleicht doch Kanzlerkandidat der Union werden wolle?). Oder CSU-Generalsekretär Martin Huber. War Huber bei Lanz, stellten sich regelmäßig Gefühle ein. Von Fremdscham bis Mitleid. Und der Eindruck verhärtete sich, dass Lanz eine sonderbare Form von Freude entwickelte, indem er Huber bearbeiten und ihm entgegenschmettern konnte: „Herr Huber, das ist Quatsch!“

    Sie werden weiter talken, ja, es geht gerade erst wieder richtig los

    Das Polit-Talk-Jahr 2024 schrieb einige Geschichten. Geschichte schrieben Maybrit Illner mit ihrer 1000. Sendung und, weniger beachtet, Markus Lanz mit seiner 2000. Sie werden weiter talken, ja, es geht gerade erst wieder richtig los. Der vom Advent bis in den Fasching wabernde Wahlkampf wird Fernsehdeutschland Stoff zum Polit-Talken in Hülle und Fülle bescheren. Und nach der Wahl wird es weitergehen bis zur Bildung einer Regierung. Und so weiter und so fort. Auch bei „Hart aber fair“, dessen Zukunft zeitweise gefährdet schien, das aber eine Bestandsgarantie bis Ende 2025 haben soll. Wenn auch wohl mit weniger Ausgaben im linearen Fernsehen. Zuletzt erreichte Klamroth überaus gute TV-Einschaltquoten.

    Machen wir, um es mit Illner zu sagen, an der Stelle einen Punkt und sagen: Auch jenseits des Ersten und des ZDF tat sich für Polit-Talk-Freunde manches, vor allem dank der Podcasts von Bild-Journalist Paul Ronzheimer und von Miosga-Vorgängerin Anne Will, die seit April das Format bespielt. Selbst beim Vorwurf, bei den Öffentlich-Rechtlichen werde ausnahmslos „linksgrün“ getalkt, tat sich was: Der BR bedient mit dem, wie es heißt, „vielversprechend gestarteten“ Podcast „Kaffee, extra schwarz“ von Autor Ahmad Mansour und Journalist Oliver Mayer-Rüth bewusst „eine konservative (Welt-)Sicht“. Bliebe „Der Sonntags-Stammtisch“ im BR Fernsehen, der in diesem Jahr anlässlich seiner 600. Ausgabe von der Süddeutschen Zeitung geadelt wurde: In dem herrsche eine Ruhe und Ausgewogenheit, die Polit-Talkshows sonst fehle. Moderator Hans Werner Kilz sei „der einzige Mann im deutschen Fernsehen, der eine politische Diskussion notfalls nur mit Brummtönen leiten könnte“. Olaf Scholz könnte das sicher auch, notfalls – falls nichts aus einer erneuten Kanzlerschaft werden sollte.

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