Herr Maffay, Sie sind alleiniger Rekordhalter in den deutschen Album-Charts. „We love Rock ’n’ Roll“ ist Ihr 21. Nummer-eins-Album. Haben Sie eine Flasche Champagner geöffnet?
Peter Maffay: Nein, aber das ist immer toll, auch wenn ich das für mich selbst gerne runterspiele. Dieses Mal ist es aber tatsächlich etwas Besonderes. Denn es haben viele Faktoren eine Rolle gespielt, dass wir wieder auf Platz eins stehen, das war überhaupt nicht selbstverständlich. Ich freue mich tatsächlich sehr über diese Pole-Position.
Andererseits soll man aufhören, wenn es am schönsten ist, heißt es. Sie haben zumindest angekündigt, keine großen Tourneen mehr zu spielen. Wie fühlt man sich so, wenn man die Mühe und Last, aber auch die Lust langer Konzertreisen hinter sich gelassen hat? Befreit oder eher sentimental?
Maffay (lacht): Ja, ja, das ist ein bisschen widersprüchlich. Die Last ist weg, was die Organisation und Vorbereitung einer Tournee betrifft. Die meisten können sich wahrscheinlich gar nicht vorstellen, was das bedeutet. Diese Zeit kann ich jetzt für andere Dinge verwenden. Die Lust hat allerdings bei mir nicht nachgelassen. Das ist ja auch für viele der Grund, warum sie rückfällig werden. Wir werden ja weiterhin Konzerte spielen, allerdings keine Tourneen mehr. Dann bleibt mehr Zeit für meine Frau Hendrikje, die Kids und die Stiftung.
Sie haben über diese Entscheidung lange nachgedacht, weil sie Ihnen nicht leicht fiel...
Maffay: Ach, ich wusste, dass das irgendwann kommen würde. Darum war ich nicht unvorbereitet, als es sich abzeichnete, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Dahinter steckt auch eine Logik. Deswegen wachsen mir auch keine grauen Haare und ich fühle mich nicht unausgelastet. Es gibt so viele Plattformen, auf denen ich tätig bin. Auf Musik werde ich auch in Zukunft nicht verzichten.
Sie haben auch gesagt, mit inzwischen 75 Jahren Ihre Prioritäten nun anders zu setzen. Denn Sie hätten nicht mehr so viel Zeit für etwas alles Entscheidendes. Wie darf man das verstehen?
Maffay: Das Entscheidende ist sechs Jahre alt und heißt Anouk. Es ist eine wunderbare Erfahrung, mitanzusehen, wie so ein kleiner Mensch ins Leben hineinwächst. Die Kleine, meine Frau, mein Sohn Yaris, das sind jetzt die Personen, die künftig die Nummer eins bei mir sind.
Wie sieht das aus, wenn Sie mehr Zeit mit der Familie, Ihrer Frau Hendrikje und Ihrer kleinen Tochter Anouk verbringen? Wandern am Starnberger See, Chillen auf Mallorca oder unterwegs auf der Route 66?
Maffay (lacht): Die Entscheidung wird an meinem Lebensrhythmus nichts Großes verändern, denn der existiert schon seit Jahren. Ich habe ein tolles Team, mit dem ich die Aufgaben, die zu lösen sind, anpacke. In mir spiegelt sich aber auch das Sternzeichen Jungfrau wider, ich bin pedantisch und sitze gerne an Arbeiten, die man mir vielleicht gar nicht zutraut, beispielsweise am Schreibtisch. Ich kann sogar ein bisschen in der Landwirtschaft mitarbeiten und habe viele Möglichkeiten, kreativ zu sein. Gleichzeitig kommt Anouk nächstes Jahr in die Schule. Da wird ein Hebel umgelegt und der Rhythmus wird sich verändern. Im Grunde genommen passe ich mein Leben meinem Alter und den Umständen an, damit es zu keinen Brüchen kommt. Dabei fühle ich mich total wohl. Ich vermisse bis jetzt nichts.
Sie haben es gerade erwähnt, Ihre Tochter kommt nächstes Jahr in die Schule. Das hätte die Geschichte mit den Tourneen wohl tatsächlich komplizierter gemacht. Aber die eigentliche Frage ist doch: Sind Sie bereit für den Elternbeirat?
Maffay (er lacht herzlich): Ich weiß nicht, ob die mich da gebrauchen können. Wenn ich erst einmal erkläre, dass meine Schulzeit höchst unerfolgreich war und ich in meinem letzten Schuljahr 185 Tage gefehlt habe, dann glaube ich nicht, dass mich dies für so ein Ehrenamt prädestiniert.
Wie sieht Alltag im Hause Maffay aus?
Maffay: Ich kann nicht kochen und bin im Haushalt nicht wirklich zu gebrauchen. Meine Aufgaben sehe ich woanders. Aber als Handlanger eigne ich mich. So gehe ich beispielsweise oft zu Edeka einkaufen und solche Geschichten. Das macht mir übrigens durchaus Spaß. Ansonsten muss ich selbst noch herausfinden, wie lange ich mich im Alltag meiner Familie zumuten kann. Ich habe nämlich das Gefühl, wenn ich zu lange da bin, dann könnten gewisse Spannungsfelder entstehen (er lacht).
Sie rücken Anouk künftig stark in den Mittelpunkt Ihres Lebens. Kommt das auch aus der Erkenntnis heraus, dass Sie Ihren älteren Kindern aufgrund der vielen Verpflichtungen zu wenig Zeit widmen konnten?
Maffay: Ich kann die Vergangenheit nicht rückgängig machen. Wichtiger ist für mich die Sicht nach vorne. Mein Sohn Yaris ist übrigens heute viel mehr in meiner Nähe als früher. Er ist der große Bruder, und diese Rolle spielt er gerne. Es ist bei Anouk aber auch nicht schwer, sich auf sie einzulassen, denn sie ist ein kleines Zauberwesen. Bei mir ist es so, dass ich heute mit 75 Jahren eine andere Sicht auf die Dinge habe. Vieles, was mir früher wichtig war, ist erledigt und abgehakt. All die neuen Entwicklungen mitzuerleben, ist sehr spannend. Dazu kommt ein emotionaler Faktor: Anouk ist ein kleines Mädchen. Da schaut man als Papa noch mal mit ganz anderen Augen drauf.
Bei all den Familienaktivitäten machen Sie aber auch weiter Musik. Welche Projekte schweben Ihnen vor?
Maffay: Es gibt noch nichts Konkretes. Aber als wir neulich mit der Band zusammengesessen sind, haben wir uns vergegenwärtigt, dass wir lange nicht mehr im Studio waren, um ein Album zu produzieren. Das könnte nächstes Jahr passieren. Da haben wir aufgrund von Corona und der letzten Tour ein bisschen Nachholbedarf.
Ihr 21-jähriger Sohn Yaris hat Sie auf der Abschiedstournee begleitet und plant jetzt, solo durchzustarten. Werden Sie ihm behilflich sein können, beispielsweise Songs für ihn schreiben oder mal bei einem Konzert mitspielen?
Maffay: Das hängt von ihm ab. Die Frage ist, ob er Bedarf hat. So wie ich ihn kenne, will Yaris ein eigenständiger Musiker sein und nicht der Sohn von Peter. Sohn zu sein ist eine undankbare Aufgabe, auch wenn es anfangs verlockend zu sein scheint, auf diese Karte zu setzen. Yaris muss bei sich bleiben. Aber wenn er meinen Rat haben will, dann bekommt er ihn. Was er damit anfängt, ist wiederum seine Sache.
Sie bezeichnen sich in Interviews als älterer, aber nicht als alter Mann. Wo ziehen Sie da die Grenzlinie?
Maffay: Ich habe viel mit jungen Leuten zu tun. Darum bin ich gar nicht gezwungen, viel über mein Alter nachzudenken. Es ist sicherlich ein kleiner Bruch der Konventionen, aber ich sehe mich als Rock 'n' Roller, der mit solchen Kategorisierungen nichts am Hut hat. Das gilt auch für meine Beziehung, obwohl manche Menschen, als wir uns kennengelernt haben, auch den Altersunterschied kommentiert haben. Ich halte das für überflüssig. Wenn die Chemie stimmt und die Empathie da ist, dann sind alle anderen Parameter unwichtig.
Denken Sie trotzdem manchmal an das unvermeidliche Thema Endlichkeit – und glauben Sie an Gott?
Maffay: Ehrlich gesagt selten. Aber ich glaube auf meine Art und Weise an Gott, bin aber schon vor langer Zeit aus der Kirche ausgetreten. Gott ist als Korrektiv, als Dialoginstanz wahnsinnig wichtig, weil das den Menschen Orientierung gibt und Hoffnung schafft – und gerade dort, wo es nicht mehr weiterzugehen scheint, es eben doch weitergeht. Neulich habe ich mit einem jungen Mann leidenschaftlich diskutiert, der behauptete, Atheist zu sein. Ich sagte ihm, warte mal ab, bis du älter bist, dann kommst du vielleicht auch auf einen anderen Trichter. Aber im Grunde muss das jeder mit sich selbst ausmachen. Wir brauchen gerade in Zukunft viel Kraft und Zuversicht, alles Dinge, die ein bisschen platt klingen, die aber wichtig sind, um die großen Aufgaben zu lösen, die anstehen.
Und wo wird einmal Ihr Nirwana sein?
Maffay: Puh, darüber habe ich bislang nicht nachgedacht. Wenn mir etwas einfällt, melde ich mich (er lacht).
Zur Person: Peter Maffay, 75, geboren als Peter Alexander Makkay in Rumänien, ist der erfolgreichste Künstler in der Geschichte der deutschen Musikcharts. Der Rockmusiker ist zudem Miterfinder der Märchen- und Zeichentrickfigur Tabaluga und für mehrere soziale Projekte aktiv. Maffay ist in fünfter Ehe mit der Lehrerin Hendrikje Balsmeyer verheiratet, die beiden haben eine sechsjährige Tochter. Aus einer früheren Beziehung gibt es außerdem Sohn Yaris (21).
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