Es sind heftige Emotionen an diesem Mittwoch im Gerichtssaal von Avignon. 50 Männer sitzen auf den Anklagebänken. Ihnen wird vorgeworfen, auf Initiative von Dominique Pelicot, dem Hauptangeklagten, in dessen Haus gekommen zu sein, um seine Frau Gisèle zu vergewaltigen - alles, nachdem er ihr Schlafmittel in hohen Dosen verabreicht hatte. Auf die Frage einer Anwältin, mit welcher Person er gerne sprechen würde, antwortet Dominique Pelicot: mit seiner Tochter Caroline. Diese schreit von der Bank der Zivilkläger aus: „Niemals werde ich mit dir reden, Dominique! Du wirst allein enden, wie ein Hund!“
Ihre Reaktion bestätigt auf bestürzende Weise, was ihr älterer Bruder David zuvor schon ausgedrückt hatte: Es handle sich auch um den „Prozess einer Familie, die total zerstört wurde“. Als „Teufel in Person“ bezeichnete der jüngste Sohn Florian, dessen eigene Ehe die Belastungen nicht aushielt, seinen Vater. Dieser nahm auch heimlich Nacktfotos von seinen Schwiegertöchtern auf und veröffentlichte sie auf Sex-Seiten im Internet. Die Polizei hatte vor vier Jahren bei Dominique Pelicot tausende Filme und Videos von den Vergewaltigungen seiner Frau durch Fremde und ihn selbst gefunden.
Gisèle Pelicot will die „patriarchale Macho-Gesellschaft“ ändern
Seit Anfang September läuft der Mammutprozess, der riesige, auch internationale Aufmerksamkeit erhält. Gisèle Pelicot trat für eine öffentliche Verhandlung ein, auch wenn die unerträglichen Erniedrigungen, denen sie jahrelang ausgesetzt war, dadurch der Welt gezeigt werden. Es sei „höchste Zeit, dass sich die patriarchale Macho-Gesellschaft ändert, die Vergewaltigungen banalisiert“, sagte die 71-Jährige bei ihrer letzten Aussage vor Gericht. Ihr Anwalt Antoine Camus fragte bei seinem Schluss-Plädoyer, wie man „in Frankreich im Jahr 2024 mindestens 50 Männer in einem Umkreis von 50 Kilometern finden kann, um sich an einem leblosen Körper, der wie tot erscheint, zu befriedigen“. Die meisten Angeklagten hatten versucht, sich herauszureden, sie hätten an ein Sex-Spiel zu dritt gedacht oder Angst vor dem imposanten Pelicot gehabt.
Gisèle Pelicot, so sagte ihr zweiter Anwalt Stéphane Babonneau, „erwartete nichts von den Angeklagten, aber diesen gelang es dennoch, sie zu enttäuschen“. Die Frage ihres Einverständnisses sei niemals ein Thema für die Männer gewesen, die sich lieber selbst als Opfer darstellten. Deren Umfeld sagte manchmal, sie hätten nicht das „Profil eines Vergewaltigers“, so Babonneau – so als existiere ein typisches Profil. „Ein Vergewaltiger ist ein Mann, der eine Vergewaltigung begeht. Nicht mehr und nicht weniger.“
Und auch später, so hatte Gisèle Pelicot beklagt, kam nicht ein einziger auf die Idee, die Vorgänge anzuzeigen. Ihr Ex-Mann, von dem sie inzwischen geschieden ist, legte zumindest ein umfassendes Geständnis ab.
Hat Dominique Pelicot auch seine Tochter missbraucht?
Doch hat Dominique Pelicot wirklich alles gesagt, wie er behauptet? Seine Tochter Caroline glaubt, er habe sich auch an ihr vergangen. Auf seinem Computer wurden Aufnahmen von ihr in schlafendem oder bewusstlosem Zustand und in fremder Unterwäsche gefunden. Sie sei „die Vergessene dieses Prozesses“, klagte die Tochter, die eine Hilfsorganisation für Missbrauchsopfer, die medikamentös betäubt wurden, gegründet hat. „Der Unterschied zwischen Gisèle und mir ist das Fehlen von Beweisen, was mich angeht“, sagte sie.
Ihr Vater behauptete, sich nicht an die Fotos zu erinnern. Als ihre Mutter nicht auf die Frage einer Anwältin, ob sie ihrem Ex-Mann das glaube, antworten wollte, verließ Caroline den Gerichtssaal. Ihre beiden Brüder hatten Dominique Pelicot angefleht, die Wahrheit zu sagen. Sie verdächtigen ihren Vater zudem, sich ihren eigenen Kindern, seinen Enkeln, genähert zu haben, unter anderem mit „Doktorspielen“. Was er heftig bestritt. Doch der Hauptangeklagte erkenne „nie irgendetwas spontan an“, bemerkte Anwalt Camus. Am kommenden Montag folgt der Strafantrag der Staatsanwaltschaft, später erhalten die Anwälte der Verteidigung das Wort. Der Prozess endet am 20. Dezember.
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