Die jahrelange Parkinson-Erkrankung hat bei Ottfried Fischer Spuren hinterlassen. Seine Stimme klingt am Telefon bisweilen ein wenig verwaschen. Der 68-Jährige, der seit Jahren mit seiner Frau Simone im Haus seiner Großmutter in Passau lebt, spricht aber immer noch so schnell wie früher, nur manchmal reißen die Gedanken ab. Dann sammelt sich der niederbayerische Schauspieler und Kabarettist aber wieder und setzt immer noch gerne eine Pointe.
Herr Fischer, blöde Frage: Wie geht’s denn dem ,Herrn Parkinson’?
Ottfried Fischer: Der Herr Parkinson muss wissen, dass ich keine Angst vor ihm habe, auch nicht vor Schüttelreimen. Er wird also von mir vor Witzen nicht verschont. Das muss er sich gefallen lassen!
In einem aktuellen Porträt in der Serie „Lebenslinien“ des Bayerischen Fernsehens nennen Sie Ihre Krankheit beim Namen: ,Herr Parkinson’. Wie kam es dazu, allein durch Sprache diese Distanz aufzubauen?
Fischer: Es war das einzige Mittel, seiner Herr zu werden. Ich habe ihm also gesagt, ich gehe auf die Bühne und du kommst mit!
In dem Porträt singen Sie gleich in der Anfangseinstellung und sagen, Sie möchten den Herrn Parkinson mit Ihrem Gesang aus Ihrer Umgebung verjagen. Wie darf man sich das vorstellen? Singen Sie da täglich, so wie andere frühmorgens Yoga machen?
Fischer: Ich habe mit Barbara Dorsch eine hoch begabte Pianistin mit dabei. Die spielt Musik aus dem ,Zarewitsch’ von Franz Lehar und ich singe dazu. Das ist wie Logopädie, allerdings ohne ernsthafte Hintergedanken. Und für mich selbst ist es sehr nachhaltig. Ich mache es leider viel zu selten. Aber ich merke sofort, das Singen tut meiner Stimmung gut.
Sie betonen, Sie wollen Ihrer Krankheit mit Heiterkeit begegnen. Wie geht das? Indem Sie einen Witz erzählen wie diesen: Wenn Sie nächstes Mal mit Ihrem Auto Probleme im Parkhaus haben - ich park ihn schon!
Fischer: Ah ja, das ist naheliegend, dass ich solche Wortspiele mache. Ich komme da ja gleich nach dem Willy Astor. Ja, man kann schon sagen, dass das auch eine Art ist, mit Parkinson umzugehen.
Ihr Ziel sei es, behaupten Sie, dem Schicksal zu trotzen. Geht das überhaupt? Und woher nehmen Sie dazu die Kraft?
Fischer: Ich packe das Schicksal gedanklich zusammen und stelle es dann irgendwo ab. Da steht es dann. Und dann schnüre ich ein neues Päckchen auf, das heißt: Gute Laune trotz Parkinson.
Sie sagen, Sie hätten das Glück nicht, in irgendeinem Heim herumzuliegen, sondern genössen in pflegerischer Hinsicht eine gute Betreuung. Ihre 17 Jahre jüngere Frau Simone übernimmt das. Ist das wahre Liebe?
Fischer: Das kann man sagen. Nein! Das muss man sogar sagen! Von mir aus kann ich es jedenfalls behaupten und meiner Frau unterstelle ich es.
Sie sagen, es ist in meinem Leben noch immer etwas da, was lebenswert ist. Wie vertreiben Sie sich die Zeit daheim?
Fischer: Ich lese Bücher, schaue Fernsehen. Zum Schreiben habe ich zurzeit allerdings keinen Nerv. Ich habe sowieso das Gefühl, in meinem Leben beruflich so viel getan zu haben, dass ich damit aufhören kann.
Was lesen Sie gerade?
Fischer: Zur Zeit ein Buch über die Baader-Meinhof-Gruppe von Bommi Baumann, dem Mitbegründer der „Bewegung 2. Juni“. Darin erzählt er, wie das alles anfing damals in der linksradikalen Szene.
Von der Diskussion um Gewalt zur bürgerlichen Szene Passaus. Jeden Samstag gehen Sie mit Ihrer Frau zum Einkaufen am Wochenmarkt. Sind Sie sonst noch öfter unterwegs oder geht das nicht mehr?
Fischer: Ah, das geht schon. Ich habe einen Elektrowagen und kann mit Krücken auch noch halbwegs gut gehen – da komme ich schon noch regelmäßig rum in der Stadt.
Wie war das Zurückkommen nach Passau? Heute sind Sie der Meinung, Sie seien jetzt am richtigen Platz – daheim nämlich. Was heißt für Sie daheim?
Fischer: Daheim ist eigentlich da, wo man die ersten Jahre seiner Kindheit verbracht hat. Daheim ist auch da, wo man feststellt, dass man da hingehört und dass man von dort hergekommen ist. Als ich heimgekommen bin nach Passau in die Wohnung meiner Großeltern, dann war das für mich die Rückkehr in die Heimat. Das ist ja ein sehr ambivalenter Begriff. Zum einen ist es ein Gefühl, was den Menschen Halt gibt und ihnen hilft, im Leben zu bestehen. Auf der anderen Seite ist es auch ein Begriff, den solche Leute wie Putin missbrauchen.
Was sagen Sie zu Putin und dem Krieg in der Ukraine?
Fischer: Den Putin müsste man so schnell wie möglich vors Kriegsverbrechertribunal bringen! Denn was da gerade in der Ukraine passiert, ist etwas höchst Unanständiges, Grausames.
Verfolgen Sie die Geschehnisse intensiv?
Fischer: Ja, ich schaue das schon regelmäßig im Fernsehen. Aber bei diesen Bildern vergeht einem alles. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.
Machen wir einen Zeitsprung zurück in bessere Tage. In der unvergessenen Serie „Irgendwie und Sowieso“ sagen Sie zu Ihrem Serienkumpel Robert Giggenbach: „Der Mensch hat ein Dahoam, dass er weggeht - und dass er wieder zruck kimmt“. Hat der Autor und Regisseur Franz Xaver Bogner hellseherische Fähigkeiten? Das hat der in den 80er Jahren als Fiktion geschrieben - und bei Ihnen ist es dann privat genauso gekommen. Ist das Schicksal, oder was?
Fischer: Da kamen mehrere Dinge zusammen. Das war der Bogner mit seiner visionären Kraft. Aber da es in der Serie um das Thema Heimat geht, liegt so ein Bogen zurück natürlich dramaturgisch auch nicht so weit weg. Aber das ist schon ein Zitat, das stellvertretend für die ganze Serie steht. Darum mögen auch viele Menschen diese Serie so gerne. Das war damals eine ganz moderne Art, so ein Thema darzustellen.
Auch dass Sie privat ja auch so eine Art Vaterkonflikt hatten und die Einöde, in die Sie reingeboren wurden und die Sie verließen, nach München gingen. Das alles wird in „Irgendwie und Sowieso“ erzählt. Verrückt, nicht wahr?
Fischer: Aber der Bogner hat das nicht von mir abgeleitet. Der kam selber aus einer bäuerlichen Gegend in der Nähe von München. Darum kannte er diese Lebensentwürfe von jungen Leuten in solchen Regionen.
Sie sind auf einem Einödhof aufgewachsen. Aber Kühe melken haben Sie zeitlebens nicht gelernt…
Fischer: …nein, das war mir schon immer zu viel Arbeit.
Kein Interesse an der Landwirtschaft?
Fischer: Ich habe sogar Angst vor Hühnern gehabt. Ich meine sogar, der Mensch ist im Grunde ein Wesen, das eigentlich keine Hühner mag. Bei mir war es so: Ich bin damals nach München gegangen und hatte beschlossen: Nie wieder Landwirtschaft! Und dann kommt Franz Bogner und gibt mir die Hauptrolle in ‚Irgendwie und Sowieso’. Und dann bietet mir die Droemersche Verlagsanstalt an, das Buch ‚Der deutsche Bauer’ zu schreiben. Man kann auch sagen, ich bin von der Landwirtschaft regelrecht zugeschissen worden.
Wann haben Sie in Ihrer Kindheit gemerkt, dass Sie irgendwie anders sind als die Leute in Ihrer Umgebung, in Ihrer Heimat?
Fischer: Das kann ich nicht sagen. Was ich aber sagen kann: Man nimmt aus dieser Sozialisation fürs Leben eine gehörige Portion bäuerliches Denken mit. So habe ich mein Leben lang im Herbst darauf geachtet, dass genug Heu da war, damit ich im Winter was zu Futtern habe.
Warum fühlen Sie sich in Passau so wohl und sagen: „Die Niederbayern sind die besseren Bayern.“ Woran machen Sie das fest?
Fischer: Ich komme doch aus Niederbayern!
Ist das der einzige Grund?
Fischer: Ein Grund.
Fällt Ihnen noch einer ein?
Fischer: Schwer zu sagen. Aber, wenn ich beispielsweise am Flughafen beim Abflug vom Bodenpersonal niederbayerisch angesprochen werde, dann geht mir automatisch das Herz auf. Vor allem, wenn ich es an Orten höre, wo man es im Grunde nicht erwartet.
Es gab auch eine Zeit, da sind Sie nach München, um dort das Leben zu suchen. Wie resümieren Sie diesen Entschluss und diese Zeit rückblickend?
Fischer: Ja, da habe ich mir die Hörner abgestoßen. Das war für mich sicher nicht das Heilmittel der Heilmittel.
Die Großstadt war zu unpersönlich?
Fischer: Vielleicht. Das war eine Zeit der Lehrjahre. Ich habe damals schnell Kontakte bekommen, schnell Karriere gemacht. Das hat dazu geführt, dass ich in Kreise kam, auf die ich in Niederbayern nie gestoßen wäre. Überhaupt Oberbayern – die mit ihrem Trachtenwahn. Das hält ja kein Mensch auf Dauer aus.
Man kann also feststellen, ein Trachtenanzug gehörte nie in Ottfried Fischers Kleiderschrank?
Fischer: Ich trachtete sozusagen mein Leben lang danach, nie in Trachten aufzutreten.
Sie waren und sind immer noch einer der beliebtesten Kabarettisten und Schauspieler im Land. Fehlt Ihnen die Bühne, der Applaus, das Publikum?
Fischer: Was heißt fehlen? Zu mir kommen so viele Leute, die sagen: Herr Fischer, sie müssen gegen dies oder das etwas unternehmen. Mir ist nicht langweilig. Wahrscheinlich hätte ich sogar eine Karriere als Politiker machen können, weil ich den Leuten das Gefühl geben kann, sie zu verstehen. Heute sagen noch immer viele, dass ich Ihnen mit meiner Arbeit Hoffnung im Leben geben konnte. So etwas berührt mich.
Beobachten Sie die Kabarettszene eigentlich noch?
Fischer: Ich schau schon ab und an zu. Aber das Kabarett ist in den letzten Jahren sehr weichgespült worden – eingefangen von ARD und ZDF. Daneben RTL mit seiner Comedy. Aber richtig gutes Kabarett, wie Josef Hader es noch macht, sehe ich im Augenblick kaum irgendwo.
Weil alle auf die schnelle Pointe aus sind?
Fischer: Ja, aber das ist einfach zu wenig. Wobei es immer wieder Talente gibt wie Lisa Eckhart zum Beispiel.
Am Schluss noch einmal eine ernste Frage: An Parkinson stirbt man nicht, heißt es. Gibt es trotzdem auch Momente, in denen Sie aufgeben möchten?
Fischer: Nein eigentlich nicht. Ich habe keine Schmerzen, keine offenen, nässenden Wunden und kann aus dem Haus gehen. Da muss ich nicht mit dem Schicksal hadern. Das wollen vielleicht manche Leute hören, aber damit kann ich nicht dienen. Aufgeben gibt es für mich nicht! Angst vorm Sterben habe ich auch nicht. Allerdings möchte ich nicht dabei sein...