Herr Kalkofe, lassen Sie uns ohne Umschweife zum Thema kommen. Ihr neues Buch trägt den wunderbar destruktiven Titel „Sieg der Blödigkeit“. Bei welcher Gelegenheit haben Sie beschlossen, dass Sie das mal schriftlich festhalten wollen?
Oliver Kalkofe (lacht): Das war nicht eine Gelegenheit, sondern das ist Alltag, das, was ich jeden Tag erlebe, ließ in mir die Idee gären und das musste schließlich mal raus. Ich habe das ja schon in unzähligen Kolumnen erzählt. Als dann der Vorschlag kam, daraus ein Buch zu machen, wusste ich sofort: Das muss der Titel sein. Denn das ist unser aller Hauptproblem. Der freiwilligen Selbstaufgabe des eigenen Denkens ist das Einlullen in Blödigkeit gefolgt. Das ist ein wichtiger Aspekt im Leben aller Menschen auf der ganzen Welt.
Sie beschreiben auch den „Dunning-Kruger-Effekt“, bei dem inkompetente Menschen, das eigene Wissen und Können maßlos überschätzen und sich für die Größten halten. Warum sind wir immer weniger zur Selbstreflexion in der Lage?
Kalkofe: Weil Selbstreflexion auch unangenehm und schmerzlich sein kann. Je mehr man weiß, desto mehr weiß man ja, dass man im Grunde so gut wie gar nichts weiß. Denn es gibt keine einfachen Lösungen, je tiefer man in Problemstellungen eintaucht, desto komplexer wird es. Heute aber ist es genau umgekehrt, da behaupten die Populisten: Alle, die keine einfachen Lösungen anbieten, sind doof. Oder anders formuliert: Wer nachdenkt, ist blöd. Und je weniger man sich mit Problemstellungen auseinandergesetzt hat, umso einfacher sind die scheinbar auch zu lösen. Deswegen wählen Menschen auch AFD oder Trump.
Herr Kalkofe, Sie verkünden auch die kesse These: Von Blöden lernen, heißt siegen lernen. Wie meinen Sie das?
Kalkofe: Das heißt, wenn wir lernen, blöd zu werden, gehören wir aktuell zu den Gewinnern. Jedenfalls scheint es so. Denn das Blöde funktioniert ja gerade in unserer Zeit. Je platter einer eine Botschaft rausposaunt oder je plumper jemand lügt, desto besser funktioniert es. Ich sage aber auch, wir dürfen uns darauf nicht einlassen und dürfen nie aufhören, dagegen anzukämpfen! Aber leider lernen wir, dass das Blöde sehr erfolgreich ist.
Politischer Profiteur der Entwicklung sind populistische Parteien. Lässt sich da noch gegensteuern oder driften wir immer weiter nach rechts ab, bis wir in Deutschland irgendwann wieder einen Adolf 2.0 anhimmeln?
Kalkofe: Die Gefahr ist auf jeden Fall groß, gar keine Frage. Wir sehen, wie schwer es ist, sich gegen falsche Idole zur Wehr zu setzen. Wer Trump-Anhänger ist, der glaubt ihm alles, weil er das möchte - auch wenn die Lüge noch so offensichtlich ist. Denn für seine Hardcore-Fans sind trotz gegenteiliger Fakten alle anderen die Lügner. Das heißt, wenn wir einer Lüge glauben wollen, dann tun wir das auch. Und wenn uns die Lüge eine einfache Möglichkeit eröffnet, ein schwieriges Problem zu lösen, dann folgen wir ihr gern freiwillig.
Ein wunderbarer Satz in dem Buch lautet: „Kein Arschloch zu sein, ist nicht unbedingt ein Charakterfehler“. Warum ist Gutmensch ein Schimpfwort geworden?
Kalkofe: Das ist wirklich ein Problem. Und es hängt auch damit zusammen, dass viele Menschen eigentlich etwas gut meinen, aber diese positive Intention dann so sehr übertreiben, dass sie ihre Menschen damit in den Wahnsinn treiben. Dann kehrt sich das Ganze rasend schnell um und das Gutgemeinte wandelt sich für sie zum Schlechten. Das darf nicht passieren. Wenn Gutmensch ein Schimpfwort wird, haben wir am Ende alle verloren.
Den Grünen geht es gerade so.
Kalkofe: Unabhängig davon, was sie jeweils falsch oder richtig gemacht haben: die Form, wie die Grünen von einigen Parteien und Medien gerade zu den Schuldigen für sämtliche Fehlentwicklungen auf der Welt gemacht werden, habe ich zuvor selten so intensiv erlebt! Man macht sie zur Verbotspartei, auch wenn sie nur Diskussionen anregen. Wenn sie beispielsweise vorschlagen, einmal in der Woche in Kantinen auch mal etwas Vegetarisches anzubieten, dreht man es so, als wollten sie uns generell unser schönes Fleisch verbieten. Das ist absurd, funktioniert aber prima.
Man kann lesen, dass Sie am liebsten Superheld geworden wären. Wie sehen Sie sich heute?
Kalkofe: Ich sehe mich inzwischen schon als eine Art Superheld, da hat sich ja auch das Spektrum der Möglichkeiten inzwischen sehr erweitert. Als ich jung war, gab es als Vorbilder eigentlich nur Spiderman und Batman. Mit Spiderman fühlte ich mich emotional verbunden, aber leider habe ich keine radioaktive Spinne gefunden, die mich beißen wollte. Also dachte ich, ich müsste halt Batman werden. Aber der hat sich seinen stählernen Körper ja selbst antrainiert, kann mit eigenen Händen tolle Waffen bauen und ist überdies noch Milliardär. Dummerweise bin ich aber auf allen dieser Felder komplett gescheitert. Ich bin also der Anti-Batman geworden: Kalk-Man, der Rächer des Publikums und Kämpfer gegen das schlechte Fernsehen.
Für Sie ist doch alles super gelaufen. Dabei ist es Ihrer Meinung nach ja sinnvoll, im Leben immer wieder zu scheitern.
Kalkofe: Scheitern gehört zum Leben, es ist sehr wichtig, das zu lernen. Das muss man auch den jungen Menschen beibringen. Scheitern gehört zum Leben. Wichtig ist nur, nach dem Sturz immer wieder möglichst schnell aufzustehen und aus den Fehlern zu lernen.
Woran sind Sie denn gescheitert?
Kalkofe: Mein Leben ist eine niemals endende Verkettung des Scheiterns. Gleichzeitig aber auch eine ebensolche Reihung von Erfolgen. Das ist alles parallel passiert. Ich habe aber nie vorschnell aufgegeben, denn ich bin sehr hartnäckig. Manchmal klappen irgendwann dann auch die Sachen, mit denen man schon fünfmal gescheitert ist. Auch privat. Ich habe meine Frau schon vor über 30 Jahren kennengelernt. Dann waren wir eine Zeit zusammen nach dem Prinzip: ja, nein, vielleicht. Dann hat uns das Leben getrennt, aber später wieder zusammengeführt und seitdem gibt es keine Fragen mehr. Das Gleiche gilt für berufliche Dinge, die zuerst nicht funktioniert haben. Meistens kommt es im Leben komplett anders, als man es selbst geplant hat, aber man muss sich auf sein Schicksal einlassen.
Sie schirmen Ihr Privatleben vor der Öffentlichkeit ab. Eines hat sich aber herumgesprochen: Sie sagen, ohne Ihre Frau wären Sie rettungslos verloren: warum?
Kalkofe: Das stimmt, auch wenn ich es nur ungern zugebe. Sie darf das allerdings nicht zu oft hören, sonst wird sie übermütig! Wir leben in einer wunderbaren Form der Symbiose und ich wage zu behaupten, auch sie wäre ohne mich verloren. Aber ich will ja nicht angeben. Übrigens hätte uns kein Dating-Profil dieser Welt jemals zusammengebracht, weil wir bei den Dingen, die dort abgefragt werden, völlig unterschiedlich sind. Aber darauf kommt es gar nicht an. Wichtig ist der gemeinsame Anker im Herzen, den man nicht einfach durch gemeinsame Hobbys oder Lieblingsspeisen findet.
Was ist denn der Anker?
Kalkofe: Wir verfolgen beide dasselbe Ziel, aber meine Frau macht das Geschäft und ich erledige das Kreative. Und keiner funkt dem anderen dazwischen. Aber im Kern ticken und fühlen wir ganz ähnlich und bringen uns so oft wie möglich zum Lachen.
Zur Person: Oliver Kalkofe, 59, ist ein bekannter deutscher Autor, Schauspieler, Komiker, Satiriker sowie Hörspiel-, Hörbuch- und Synchronsprecher. Doch nicht nur im Fernsehen, sondern auch auf der Leinwand macht der gebürtige Niedersachse eine gute Figur. Am erfolgreichsten war er bisher mit den Parodien der Edgar-Wallace-Filme „Der WiXXer“ und „Neues vom WiXXer“.
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