Ganz oder gar nicht – das war die Entscheidung, vor der Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) stand. Nach Wochen des Zitterns und des Haderns steht nun fest: Dieses Jahr findet das Oktoberfest wieder statt. Ganz ohne Zugangsbeschränkungen. Das hat Reiter auf einer Pressekonferenz am Freitag im Rathaus verkündet und erklärt, dass er sich die Entscheidung nicht leicht gemacht habe – anders als manch andere, die ihm ihre Meinung schon seit Wochen regelmäßig ungefragt mitgeteilt hätten, stichelte er.
Zuletzt hatten sich etwa Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) klar für das Oktoberfest ausgesprochen.
Reiter machte deutlich, dass er das größte Volksfest der Welt lieber mit gewissen Auflagen versehen hätte. Doch weder der Bund noch der Freistaat hätten Regelungen geschaffen, die ihn in die Lage versetzen würden, Zugangsbeschränkungen wie 1G oder 3G zu erlassen.
„Man kann – so wie in Bayern geschehen – das Team Vorsicht auch auflösen und daraus ein Team Volksfest-Hopping machen“, sagte Reiter und spielte damit wohl auf diverse Volksfestauftritte von Ministerpräsident Söder in der jüngsten Vergangenheit an. Der Applaus in Bierzelten und in sozialen Medien sei natürlich gesichert, „wenn man Versprechungen macht, für die man nicht verantwortlich ist“.
Wiesn 2022: Münchner OB hofft, dass sich Corona-Lage nicht verschlimmert
Er freue sich „für alle Menschen, die Spaß an der Wiesn haben. Dazu gehöre ich im Regelfall auch“ sagte Reiter dennoch. Er hoffe, dass die Fachleute, die mehr davon verstünden als er, recht behielten und man nicht im Herbst oder zum Ende des Jahres die Entscheidung bereue. Für den Fall, dass es doch noch zu einer Absage des Oktoberfestes komme, sei ihm wichtig, dass die Kosten nicht an den Bewohnerinnen und Bewohnern Münchens hängen bleiben. Dann sehe er den Bund oder den Freistaat in der Pflicht.
Reiter erklärte zudem, dass auch Überlegungen zum Krieg in der Ukraine in seine Entscheidung eingeflossen seien. Nach einer Rede des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko vor dem Münchner Stadtrat im März hatte sich der Oberbürgermeister nachdenklich gezeigt. Damals sagte Reiter, dass er sich persönlich nur schwer vorstellen könne, ein Volksfest zu feiern, wenn in der Ukraine Krieg herrsche.
Nun kam er zu dem Schluss, dass selbst der Krieg eine Absage der Wiesn nicht gerechtfertigt hätte. „Es muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er trotz des Krieges feiern möchte“, sagte Reiter. Er wolle nicht derjenige sein, der moralisierend den Zeigefinger hebt und sagt: „Jeder, der da hingeht, hat keinen Respekt vor den Menschen in der Ukraine.“
Entscheidung von Dieter Reiter zum Oktoberfest 2022 bekommt viel Zustimmung
Am Freitag erntete Reiter für seine Entscheidung viel Zustimmung. Ministerpräsident Söder schrieb auf Twitter: „Ein gutes Signal gerade auch in schwerer Zeit. Ich werde gerne hingehen und freue mich auf die erste Mass.“ Hubert Aiwanger betonte, dass das Fest ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für ganz Bayern sei. Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) äußerte sich zurückhaltender: „Es gibt gute Gründe dafür, das Oktoberfest in diesem Jahr wieder stattfinden zu lassen.“ Aber eine so große Veranstaltung mit Gästen aus vielen Ländern berge Infektionsrisiken.
Für die Münchner Wiesnwirte und Schausteller waren die vergangenen zwei Corona-Jahre mit herben finanziellen Einbußen verbunden. Dementsprechend erleichtert zeigten sie sich über die Zusage. „Ich bin sprachlos. Ich kann’s noch gar nicht fassen. Ich könnte eigentlich heulen vor lauter Freude“, sagte Schaustellersprecherin Yvonne Heckl. „Das ist fast nicht in Worte zu fassen. Es ist schön, wirklich“, sagte Peter Inselkammer, Wirtesprecher und Wirt des Armbrustschützenzelts, im Bayerischen Rundfunk. Ähnlich äußert sich die Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes, Angela Inselkammer. Reiters Entscheidung sei „unter den gegebenen Umständen alles andere als einfach, sie verdient deshalb Respekt“. Die Wiesn findet vom 17. September bis zum 3. Oktober statt. (mit dpa)