Frau Ruge, nicht ganz ernst gemeinte Frage: Waren Sie heute schon in Ihrem Jungbrunnen?
NINA RUGE: Ja, ja. Ich war schon eine Stunde laufen und werde gleich ein tolles Nahrungsergänzungsmittel mit Reishi, Weihrauch, Kurkuma, Q10, Selen und Vitaminen zu mir nehmen. Außerdem habe ich mich auf den Kopf gestellt, besser gesagt, ich habe mich ausgehangen und ich war auch auf der Power-Plate. Gerade trinke ich grünen Tee und werde dann noch Joghurt mit Leinöl und Weizenkeimen plus Blaubeeren essen, weil die ja mit ihren Anthocyanen gut gegen Entzündungen wirken. Habe ich noch etwas vergessen? Ja, ich habe mit meinem Hund und meinen Katzen geknuddelt, das gibt mir die mentale Erfrischung. Insofern – ich habe schon ein ordentliches Jungbrunnen-Programm absolviert.
Lieber Gott, das klingt anstrengend, so viele Dinge vor dem Frühstück zu beachten! Oder ist das für Sie problemlos in die tägliche Routine zu integrieren?
RUGE: Das ist bei mir tatsächlich Routine. Wer sich mit dem Thema seit Jahren so intensiv beschäftigt wie ich, will das alles auch ausprobieren, um Empfehlungen geben zu können. Ganz ehrlich, ich bin 68 Jahre, und es geht mir wahnsinnig gut. Ich bin seit 20 Jahren Vegetarierin. Mit dem Arzt, der mich damals behandelt hat, habe ich 2008 das erste Langlebigkeitsbuch überhaupt geschrieben. Der Arzt hat mir damals einen ganzen Strauß an Umstellungen im Lebensstil plus Nahrungsergänzung empfohlen, weil mein großes Engagement in täglichen Live-Sendungen und noch viel mehr körperlich deutlich Spuren hinterlassen hatte. Ich befolgte seine Ratschläge – und merkte schnell, dass mein Energielevel deutlich stieg.
Ihr neues Buch trägt den Titel „Ab morgen jünger!“ In ihm beschreiben Sie die jüngsten medizinischen Entwicklungen im Rahmen des Megatrends „Healthy Longevity“, der den Menschen verspricht, ziemlich gesund sehr alt zu werden. Ist das so richtig beschrieben?
RUGE: Sie sind perfekt informiert, passt!
Warum altern wir eigentlich?
RUGE: Das ist die zentrale Frage, die aktuell Zehntausende von Forschern beschäftigt. 2023 hat ein führender Longevity-Wissenschaftler die Zahl der entdeckten Merkmale des Alterns auf Zellebene von neun auf zwölf heraufgesetzt. Wenn man sich anschaut, was da ab einem Alter von 25 Jahren passiert, könnte einen das wirklich depressiv werden lassen. Allein die Mitochondrien, unsere Zellkraftwerke, die Stammzellen, die Schutzkappen am Ende der Chromosomen – alles funktioniert schlechter. Ebenso der Zucker- und Fettstoffwechsel, auch die Zellreinigung und das Immunsystem arbeiten schlechter. Und erst unsere DNA-Reparatursysteme! In jeder Zelle entstehen jeden Tag etwa 10.000 Schäden. Und beim Älterwerden können die immer schlechter repariert werden. Jedes dieser Merkmale des Alterns ist ein riesiges Forschungsfeld, da kommen permanent neue Studien heraus. Das ist so viel geworden, dass einem regelrecht der Kopf brummt.
Wenn jemand erfahren will, wie alt sein Körper nach biologischen Gesichtspunkten ist, kann er das mit modernen Tests erfahren. Gibt es die denn heute schon in jeder Apotheke?
RUGE: Die Apotheken vertreiben solche epigenetischen Tests noch nicht. Man bekommt sie im Internet. Da gibt es allerdings viele verschiedene. Manche messen recht gut, andere weniger gut. Manche dieser ,biologischen Uhren‘ sind aber schon ganz brauchbar. Ich habe vor fünf Jahren zwei Tests gemacht – einen mit Blut und einen mit Speichel. Bei beiden war ich sechs Jahre jünger. Im letzten Jahr habe einen gemacht, da war ich sogar elf Jahre jünger. Sämtliche Gesundheitsrisiken im Alter können solche Uhren natürlich nicht auslesen.
Was ist der erste Schritt, den man tun muss, damit man sich jünger fühlt?
RUGE: An dieser Stelle ziehe ich die Langlebigkeitspyramide heraus. Ganz unten der Sockel ist das, was schon Oma gesagt hat: „Kind, beweg dich mehr! Iss mehr Gemüse! Reg dich nicht auf! Geh früh schlafen!“ Heute wissen wir, was bei weniger und gesünderem, gemüsebasiertem Essen in unseren Zellen passiert. Die Zellteilung verlangsamt sich, und die Reparaturenzyme haben mehr Zeit, die Zellen und vor allem unsere DNA immer wieder instand zu setzen. Das heißt: weniger Krebsgefahr! Außerdem weniger Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen – auch wegen der wichtigen sekundären Pflanzenstoffe in gemüsebasierter Ernährung. Diese wichtigen Wirkstoffe sind in tierischem Essen kaum, in hoch verarbeiteten Lebensmitteln gar nicht drin. Enorm wichtig ist natürlich die Bewegung. Damit steigt unter anderem die Menge an Sauerstoff, die unsere Zellkraftwerke zur Energieproduktion nutzen kann. Diese Menge kann man messen. Das ist einer der wichtigsten Biomarker in puncto Langlebigkeit. Auch die optimale Schlafqualität für ein langes, gesundes Leben kann man messen.
Birgt der Longevity-Trend auch Risiken?
RUGE: Er bedeutet zunächst: mehr Selbstverantwortung übernehmen. Man sollte sich gut informieren und am besten jeden Freitag meinen Podcast hören! (lacht) Es gibt noch nicht viele Ärzte, die sich breit in Longevity-Diagnostik und -Beratung auskennen. In anderen Ländern wie in der Golfregion sind sie schon weiter. Aber es gibt auch viele Scharlatane, die sich als Trittbrettfahrer mit diesem Trend und ein paar halbseidenen Produkten gesundstoßen wollen.
Gehört dazu auch die Esoterik?
RUGE: Die gehört eigentlich gar nicht zu diesem Thema. Aber auch esoterische Produkte werden heutzutage wie so vieles mit „Longevity“ etikettiert. So gibt es „Longevity-Studios“, die ein bisschen Botox spritzen und die epigenetische Uhr verkaufen, überteuerte Nahrungsergänzungsmittel und intravenöse Therapien – dazu Blutwäschen, bei denen Quecksilber und Blei ausgewaschen werden sollen, sind oft nicht seriös. Leider springen unseriöse Trittbrettfahrer auf jeden neuen Megatrend auf. Das war auch bei der Antiaging-Bewegung so. Da wurden unter anderem riskante Frischzellenkuren unter diesem Label angeboten. Von „Antiaging“ spricht heute niemand mehr.
Als Laie ist es wahnsinnig schwer, sich in diesem Dschungel zurechtzufinden. Was ist wirklich sinnvoll?
RUGE: Ab dem Alter von 30 machen durchaus Blutchecks Sinn. Davon halte ich viel. Damit kann man Risikofaktoren aufdecken – beispielsweise, ob der Fettstoffwechsel in Ordnung ist. Der kann für Herzinfarkte verantwortlich sein, wenn er entgleist. Marketinggeklimper verhallt, wenn man sich auf seriöse Studien stützt – wie zum Beispiel die Do-Health-Studie von der Uni Zürich. Die konnte nachweisen, dass täglich 2000 Einheiten Vitamin D und ein Gramm Omega-3-Fettsäuren plus Krafttraining-Programm nachweislich vor Krebs schützen. Denn dadurch wird das Immunsystem geboostet. Man kann sich natürlich auch gemeinsam mit einem Präventions-Mediziner einen persönlichen Plan zusammenstellen.
Sie sagen, man sollte spätestens mit 30 Jahren anfangen, sich ums gesunde Altern zu kümmern. Macht das dann für Über-60-Jährige überhaupt noch Sinn?
RUGE: Natürlich! Was ich für wichtig halte, ist beispielsweise ein Gentest. Da gibt es heute schon für knapp 400 Euro die Möglichkeit, das eigene Genom auszulesen. Denn die Genvarianten bestimmen unter anderem, wie schnell Medikamente verstoffwechselt werden. Wenn ich also weiß, dass ich Ibuprofen nur langsam abbaue, dann darf ich davon nicht zu viel nehmen. In Großbritannien überlegt man, ob man diese Gentests nicht schon bei Babys machen soll. Denn daraus lassen sich die Risikofaktoren gut herauslesen: Bei mir ist das die Osteoporose. Ich habe zwar noch keine – wahrscheinlich, weil ich täglich laufe –, aber es ist gut, sich seiner Risiken bewusst zu werden, um entsprechend vorbeugen zu können.
Sie berichten auch von revolutionären Therapien, wie der Transplantation von jungen Zellkraftwerken, also Mitochondrien. Das heißt: Es muss gelingen, unsere Zellen mit dem zu versorgen, was sie am meisten brauchen. Wie weit ist da die Forschung?
RUGE: Da ist die Forschung dran, aber das ist noch Zukunftsmusik. Es gibt mehrere Ansätze. Einen davon verfolgt eine Schweizer Firma. Die arbeiten nicht mit jungen Mitochondrien, sondern verwenden körpereigene Mitochondrien oder solche von Spendern. Hier geht es um Therapien bei Herzinfarkt oder Schlaganfall. Eine andere Firma wiederum bearbeitet Mitochondrien von Spendern und setzt bestimmte Marker auf die Oberfläche, um sie zielgenau zu bestimmten Organen zu dirigieren. Bis solche Anwendungen zugelassen sein werden, wird noch viel Zeit vergehen.
Am Ende noch eine private Frage. Sie wurden im deutschen Fernsehen mit einer Sendung über Stars und Sternchen bekannt. Wenn man Sie heute so fachkundig über biologische Forschung reden hört, muss Sie das doch erschreckend unterfordert haben, oder?
RUGE: In der Tat habe ich Biologie studiert und mit Auszeichnung abgeschlossen. Außerdem habe ich parallel zu „Leute heute“ Wissenschaftssendungen oder Kongresse moderiert. Doch „Leute heute“ war sozusagen mein Markenzeichen. Meine anderen Moderationen, auch Bücher zu Wissenschaft, Wirtschaft, Technologie passten da nicht ins Bild. Macht nichts. Heute stehe ich für Fachkompetenz im Bereich „Healthy Longevity, gesunde Langlebigkeit“. Und so hat sich mein Motto auch ein wenig verändert.
Sie sagten immer: „Alles wird gut“.
RUGE: Und heute sind es nicht mehr nur drei, sondern sieben Worte: „Alles wird gut. Aber nicht von alleine!“
Zur Person
Nina Ruge, 1956 in München geboren, wurde unter anderem durch die Moderation des ZDF-Boulevardmagazins „Leute heute“ einem großen Publikum bekannt. Ihr neues Buch „Ab morgen jünger!“ (Heyne Verlag, 400 Seiten, 24 Euro) erscheint an diesem Mittwoch.
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