Cris Blohm ist gerade erst angekommen als neue Ermittlerin im Müchner „Polizeiruf“-Kommissariat. Doch in ihrem dritten Fall sieht sie das Karriereende schon vor sich. Sie sitzt in einem dunklen Zimmer fest und malt sich aus, wie sie bei McDonald's Happy Meals verkauft. „Welche Soße?“, fragt Blohm (Johanna Wokalek) in Gedanken, während vor der Tür ihres Verlieses Partymusik wummert. Sie riskiert ihre Stelle, um einen Mörder zu überführen. Einen Mörder, den das Gesetz schützt – auch „wenn es kein normaler Mensch versteht“, wie es ein Rechtsexperte im neuen „Polizeiruf 110“ (ARD, Sonntag, 20.15 Uhr) sagt.
In „Jenseits des Rechts“ (Regie: Dominik Graf) gibt es gleich mehrere Opfer: Amateurpornofilmer Lukas „Lucky“ Bärwein (Florian Geißelmann), der mit einer Nadel im Bein tot in seinem Wohnwagen liegt. Dessen Freundin Mia Horschalek (Emma Preisendanz), die nicht nur im Gesicht Narben hat. Mia passt nicht in die Welt voll altem Geld und neuen Medien, in der sich ihr Vater, ein erfolgreicher Gold-Dealer, und ihre Schwester, eine Influencerin mit einer Million Followern, bewegen. Seit sie 14 ist, ist sie in Behandlung bei ihrem „Edelshrink“. So nennt Mia den Psychologen Martin Weibel (Michael Roll) in Anlehnung an die englische umgangssprachliche Bezeichnung „shrink“ für Psychiater. Das dritte Opfer ist Gerichtsmedizinerin Franca Ambacher (Jule Gartzke). Und damit ist „Jenseits des Rechts“ nicht nur ein Krimi, sondern eine packende Lehrstunde für juristische Spezialkenntnisse.
Ambacher findet in ihren Gen-Proben nämlich eine eindeutige Übereinstimmung zwischen Mias DNA und der des männlichen Täters, die Lucky unter dem Fingernagel hatte. Den Kommissaren Blohm und Eden (Stephan Zinner) darf sie nichts sagen. Drehbuch-Autor Tobias Kniebe bezieht sich hier auf eine gesetzliche Regelung, die es wirklich gibt. Vereinfacht gesagt: Werden bei Ermittlungen DNA-Proben genommen, dann dürfen diese Proben ausschließlich mit der beim Opfer gefundenen DNA verglichen werden. Die Proben der Verdächtigen untereinander vergleichen darf man nicht. Wenn es doch passiert, darf das Ergebnis nicht als Beweis genutzt werden.
„Polizeiruf“ aus München: Der entscheidene Hinweis liegt ungenutzt vor
„Ich könnte den entscheidenden Hinweis auf den Täter geben, aber ich darf‘s nicht!“, klagt die Rechtsmedizinerin gegenüber ihrem Mann. Das macht ihr schwer zu schaffen. Die sonst so selbstbewusste Ambacher wird von nächtlichen Essattacken heimgesucht, ihre Kollegen erkennen sie nicht wieder, so fahrig ist sie geworden. Am Ende steckt Blohm eben doch mit drin – und sitzt gefangen in der Luxusvilla von Mias Vater.
Schade zwar, dass die meisten Krimifans wieder einmal deutlich schneller ermitteln dürften als die Fahnder. Aber schauspielerische Kunststücke und die vertrackte rechtliche Konstellation des Falls machen ihn trotzdem sehenswert. Fazit: ein bisschen lätschig wie McDonald's-Pommes, die einen Tick zu lange warmgehalten wurden, aber kein Quatsch mit Soße.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden